Was man besser nicht googeln sollte

Netflix hat eine weitere deutsche Serie produziert, und dieses Mal ist es tatsächlich gut gegangen – bekanntlich sind alle guten Dinge drei: Nach der ambitionierten, aber irgendwie dann doch enttäuschenden Mysterieserie Dark und dem gründlich misslungenen Versuch, mit Dogs of Berlin eine coole Verbrecherserie im Gang-Milieu von Berlin abzuliefern, die tatsächlich einfach nur eine manchmal alberne, oft aber ärgerliche Aneinanderreihung dämlicher Klischees war, ist How to Sell Drugs Online (Fast) eine erstaunlich unterhaltsame Teenager-Serie, an der auch Erwachsene Spaß haben können.

Die Serienidee beruht auf der wahren Geschichte eines Schülers, der unter dem Alias Shiny Flakes aus seinem Kinderzimmer heraus einen illegalen Drogenhandel im Darknet betrieb, der mehrere Millionen Euro Umsatz machte. Die Serienmacher haben die Handlung von Leipzig in die fiktive Kleinstadt Rinseln im Umland von Köln verlegt, deren beeindruckende Trostlosigkeit es locker mit Niederkaltenkirchen aufnehmen kann, der hässlichsten (ebenfalls fiktiven) Stadt in Niederbayern, bekannt aus den Eberhofer-Krimis. Für die Serie verantwortlich zeichnet übrigens die bildundtonfabrik aus Köln-Ehrenfeld, die unter anderem auch das Neo Magazin Royale produziert. How to Sell Drugs Online (Fast) ist die erste fiktionale Serie der Ehrenfelder.

How To Sell Drugs Online (Fast): Serienposter Bild: Netflix

How To Sell Drugs Online (Fast): Serienposter Bild: Netflix

Es geht um den siebzehnjährigen Moritz (Maximilian Mundt), der sehnsüchtig darauf wartet, dass seine Freundin Lisa (Lena Klenke) wieder nach Hause kommt. Sie war für ein Austauschjahr in den USA und es kommt, wie es kommen muss, sie interessiert sich nun für andere Dinge und Menschen. Sie macht zwar nicht gleich komplett mit Moritz Schluss, aber will erstmal auf die Pausetaste drücken. Wie man das heute so nennt, wenn man eigentlich nicht mehr will, aber keine Lust auf den Stress einer richtigen Trennung hat.

Natürlich kapiert Moritz das und leidet fortan unter unerträglichem Liebeskummer, sein Lebenssinn ist nun dahin und darunter wiederum leiden in der Folge andere. Lenny (Danilo Kamperidis) zum Beispiel, der beste (und offenbar einzige) Freund von Moritz, der aufgrund einer schweren Erkrankung im Rollstuhl sitzt. Er teilt Moritz Begeisterung für Computerspiele und alles, was sonst mit Computern zu tun hat. Die beiden Nerds planen, ein Start-Up für virtuelle Computerspielausrüstung aufzuziehen, die man für echtes Geld kaufen kann. Doch der Pitch für MyTems geht gründlich schief, weil Moritz nicht bei der Sache ist.

Dafür entwickelt er eine andere Idee: Als er mitbekommt, dass der gut aussehende Dan (Damian Hardung) epische Parties im Haus seiner Eltern schmeißt, auf denen es Ecstasy-Pillen gibt, beschließt er, selbst ins Dealergewerbe einzusteigen, damit er endlich auch cool ist und Einladungen zu den wichtigen Events bekommt, mit denen er Lisa beeindrucken kann, die er um so ziemlich jeden Preis zurück gewinnen will.

Dabei verstrickt er sich in allerlei Schwierigkeiten, natürlich klappt alles nicht so wie geplant, vor allem ist mit Buba (Bjarne Mädel) nicht zu spaßen, dem brutalen Teilzeit-Dealer, der hauptamtlich einen Pferdehof betreibt. Doch Nerd Moritz, ein bekennender Steve-Jobs-Fan, denkt inzwischen in größeren Kategorien und  knüpft internationale Kontakte mit Drogenherstellern. Und er benutzt die hauptsächlich von Lenny entwickelte Verkaufsplattform für Gaming-Zubehör als Onlineshop für seine illegalen Geschäfte. Businessmäßig ist er auf dem Erfolgstrip, zwischenmenschlich entpuppt er sich immer wieder als selbstbezogenes Arschloch, das andere ausnutzt, um dann aber doch im richtigen Moment wieder sein Gewissen und sein Herz zu entdecken. Wie sonst ist denn ein Typ gestrickt, der seiner Angebeteten eine Gehirnzelle als Kuschelltier schenkt?!

How To Sell Drugs Online (Fast): Buba (Bjarne Mädel), Lenny (Danilo Kamperidis) und Moritz (Maximilian Mundt) Bild: Netflix

How To Sell Drugs Online (Fast): Buba (Bjarne Mädel), Lenny (Danilo Kamperidis) und Moritz (Maximilian Mundt) Bild: Netflix

Die Serie mag inhaltlich vielleicht nicht super originell sein, aber sie ist flott und verspielt gemacht. Es gibt eine Menge eingeblendeter Chats inklusive albernster Emojis, aber so kommunizieren die jungen Menschen heutzutage nun einmal. Und nebenbei gibt Moritz immer wieder Tipps, was man besser nicht online stellen sollte. How to Sell Drugs Online (Fast) spielt mit dem Selbstinszenierungszwang der Generation Social Media, dem leider nicht nur bei BWLern äußerst beliebten Bullshit-Bingo aus Motivations- und Coaching-Seminaren und der abgefuckten Business-Denke aktueller und bereits verblichener Silicon-Valley-Ikonen.

Zusätzlich gibt es unzählige Zitate und Querverweise aus anderen Filmen und Serien und eine ganze Reihe illustrer  Gastauftritte, etwa Ulrike Folkerts als Mutter von Lenny, Olli Schulz als Onkel einer Freundin oder Florentin Will als Polizist. Selbst die 90er-Ikone Jonathan Frakes ist dabei, der im besten X-Factor-Stil auftritt – alles in allem ein Riesenspaß, der leider schon allzu bald vorbei ist, denn HTSDO(F) besteht nur aus sechs halbstündigen Teilen.

Aber klar, besser eine gute Serie, die schnell weg gebinged ist, als ein zäher Brocken mit gefühlt unendlicher Laufzeit. Liebes Netflix, bitte mehr davon! Da sind doch noch ein paar weitere Staffeln drin! Und liebes deutsches Fernsehen, schau dir das mal an: So geht Serie Made in Germany. Man kann sich an die Sehgewohnheiten junger Menschen auch heranwanzen, ohne die intellektuellen Bedürfnisse der etwas älteren und nicht völlig ungebildeten Zuschauer komplett zu vernachlässigen. Ich meine jetzt die, die nicht der Hauptzielgruppe des ZDF entsprechen. Wobei, die ARD hat auch ihre Schwächen und ZDFneo ist manchmal sogar ganz hipp. Aber Netflix ist hipper. Leider. Denn den bekloppten Rundfunkbetrag muss ich ja trotzdem zahlen. Netflix zahl ich freiwillig.