Spinning Out: Glanz und Elend des Eiskunstlaufens

Als Schulkind waren für mich die jährlichen Höhepunkte der Fernsehsaison ganz klar die Wettbewerbe im Eiskunstlaufen, die damals zu besten Sendezeiten im ersten oder zweiten Programm übertragen wurden. Mich faszinierte das Können der Sportlerinnen und Sportler, Kraft und Eleganz, die Musik, die Kostüme, und natürlich das ganze Drama der Wettkämpfe, ich kannte alle wichtigen Namen und Fakten, ich liebte es einfach. Noch immer gehört das Eiskunstlaufen zu den wenigen Sportarten, von denen ich mir freiwillig stundenlange Fernsehübertragungen ansehe, oder heutzutage die jeweiligen Streams im Internet, denn zur besten Sendezeit kommt ja nur noch Fußball.

Insofern ist klar, dass ich an der Netflix-Serie Spinning Out nicht vorbei gekommen bin. Die US-amerikanische Dramaserie handelt von der Eiskunstläuferin Kat Baker (eigentlich Katarina, und es ist ja wohl klar, an welche Königin des Eiskunstlaufs ihre Mutter dabei gedacht haben mag), die nach einem schweren Sturz versucht, sich wieder zurück ins Leben zu kämpfen und an ihre früheren Erfolge anzuknüpfen.

Serienposter Spinning Out, Bild: Netflix via filmstarts.de

Kat (dargestellt von der Britin Kaya Scodelario) ist quasi auf der Eisbahn aufgewachsen, schon ihre Mutter Carol (January Jones) träumte von einer Karriere als Eiskunstläuferin. Allerdings war sie nicht gut genug für das Ticket zu den Olympischen Spielen, und in gewisser Weise gibt sie ihrer ältesten Tochter die Schuld daran, deren Geburt ihre Träume platzen ließ. Kat ist schön und begabt und hat bereits viele Wettbewerbe gewonnen. Doch genau wie ihre ehrgeizige Mutter leidet Kat an einer Manisch-depressiven Persönlichkeitsstörung, weshalb sie Medikamente nehmen muss, die ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Und nach ihrer Kopfverletzung, die sie sich bei einem Sturz nach einem missglückten Dreifachsprung in einem wichtigen Wettbewerb zugezogen hat, hat sie Angst und kann nicht mehr richtig springen.

Ihre Mutter verlagert ihre Aufmerksamkeit nun auf Kats jüngere Halbschwester Serena (Willow Shields), die zwar weniger elegant läuft als ihre große Schwester, dafür aber psychisch stabiler ist. Weil Eiskunstlaufen ein teurer Sport ist, denn die Stunden auf der Eisbahn, die Trainer, die Choreografen, die Extrastunden im Fitnessraum, die Ausrüstung, die Kostüme und so weiter kosten eine Menge Geld, spart Carol die Trainerstunden für Kat, um Serena optimaler zu unterstützen.

Für Kat sieht es also nicht gut aus, sie besteht auch die Prüfung für die Senioren nicht, denn inzwischen ist sie 21 Jahre alt und muss die entsprechenden Kriterien erfüllen. Zu ihrem Glück ist der erfolgreiche Paarläufer Justin (Evan Roderick) auf der Suche nach einer neuen Eislauf-Partnerin. Justin ist der Sohn des wohlhabenden Unternehmers James Davis, dem auch das luxuriöse Wintersport-Resort gehört, in dem Kat sich mit einem Kellnerjob über Wasser hält. Justin wird von Dasha Fedorova (Svetlana Efremova) trainiert, einer früher in der UdSSR sehr erfolgreichen Eiskunstläuferin.

Dasha sieht in Kat noch immer viel Potenzial und bietet ihr an, sie zu trainieren. Binnen zwei Jahren könne Kat wieder auf Weltniveau sein, allerdings als Paarläuferin. Kat ist anfangs wenig begeistert, sie sei nun mal eine Sololäuferin. Und natürlich hat sie auch hier Konkurrenz, etwa Leah (Kaitlyn Leeb), die liebend gern die neue Eislauf-Partnerin von Justin werden würde.

Kat (Kaya Scodelario) und Justin (Evan Roderick) Bild: Netflix

Und dann ist da noch Jenn (Amanda Zhou), Kats beste Freundin, die ihr Leben ebenfalls dem Eiskunstlauf verschrieben hat. Jenn wird von ihrer aus China stammenden Familie unterstützt, deren Gemeinde dabei hilft, Jenns Training und damit ihre Karriere zu finanzieren. Als Jenn sich verletzt, wagt sie nicht, ihr Training zu unterbrechen, obwohl ihr Arzt vor schwerwiegenden Konsequenzen warnt. Zu wichtig ist der nächste Wettbewerb, für den sogar die alten Großeltern extra angereist ist. 

Die Serie behandelt ausführlich die negativen Seiten des Leistungssports, den unbarmherzigen Leistungsdruck, die hohen persönlichen Kosten, gesundheitliche und finanzielle Risiken, den ultimativen Zwang zur Selbstoptimierung. Das Training muss immer Vorrang haben, es gibt kaum Zeit für Freunde und Vergnügen. Und im Wettbewerb sind auch die besten Freundinnen Konkurrentinnen. Natürlich ist das alles kein neues Konzept, wobei mir jetzt tatsächlich auf Anhieb keine andere Sportlerserie einfällt, weil das eigentlich nicht mein Genre ist (und Cobra Kai ist keine Sportlerserie in diesem Sinne).

Natürlich geht es in Spinnig Out auch um Beziehungen, wobei Kat es als Manisch-Depressive da besonders schwer hat, weil sie immer wieder alle vor den Kopf stößt. Das kennen wir aus Homeland, Carrie Mathison dürfte die prominenteste Hauptfigur mit einer bipolaren Persönlichkeitsstörung sein und die war, bei all ihrer Genialität, immer wieder ziemlich nervig. Wobei ich das ja gut finde: Kat ist manchmal ziemlich bescheuert, so sehr man sie wegen ihrer Krankheit und ihrer Mutter bedauern mag. Denn die ist definitiv noch durchgeknallter.

Und das zieht sich durch die ganze Serie, man könnte darüber mäkeln , dass die Charakterzeichung sämtlicher Protagonisten nicht sehr konsequent sei. Aber gerade das ist für mich eine Stärke der Serie: Menschen sind eben nicht konsequent gut oder böse. Sie können großzügig und selbstlos sein, und dann auch wieder selbstbezogene Arschlöcher, was sie mitunter selbst gar nicht so wahrnehmen. Auch die treueste Freundin hat irgendwann einmal die Nase voll, wenn sie immer den Kürzeren zieht. Und auch ein erfolgsverwöhnter Dandy kann ein Herz haben und sich um seine Trainerin sorgen, oder um seine Partnerin. Insbesondere, wenn sie so labil und kompliziert ist wie Kat.

Auch sonst werden in der Serie eine ganze Menge heißer Eisen angefasst, etwa Missbrauch junger Sportlerinnen, Rassismus, Sexismus, Doping, familiärer Erwartungsdruck und so weiter und so fort. Das Problem ist, dass es immer wieder ein bisschen zu viel von allem ist. Deshalb wirkt die Handlung mitunter etwas konfus, man muss echt aufpassen wer jetzt gerade warum auf wen sauer ist. Das ist mir insgesamt dann doch etwas zu soap-operesk, weil es irgendwie keine Normalität gibt. Wobei, was ist schon normal.

Mich hat Spinnig Out gut unterhalten, reichlich Drama und Spannung, und das weitgehend gewaltfrei. Also abgesehen von den Zumutungen des US-amerikanischen Alltags. Leider gibt es von Spinnig Out nur eine Staffel mit zehn Teilen, offenbar hat diese Mischung beim Netflix-Publikum nicht so viel Anklang gefunden. Was ich sehr schade finde. Ich wüsste zu gern, wie die Geschichte weitergeht.

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