Retrokritik: Sons of Anarchy

In letzter Zeit sehe ich aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr so viel fern. Darüber bin ich ziemlich froh, denn ich habe tatsächlich Besseres zu tun. Außerdem gibt es inzwischen dermaßen viele neue Serien, dass es selbst für ausgesprochene Serienjunkies nicht mehr möglich ist, den Überblick zu behalten. Mag sein, dass die eine oder andere Serienperle in der Masse neuer Angebote zu finden ist, aber ich habe weder die Zeit, noch Lust dazu, mir das alles reinzuziehen.

Insofern bleibe ich lieber beim Bewährten, es gibt ja neue Staffeln von vielen Lieblingsserien, etwa die finale Staffel von Better Call Saul, die ein echtes Highlight ist, die finale Staffel von This is Us, eine weitere Staffel von Ozark, und es gibt auch Neues von Bosch, der in Bosch – Legacy kein Cop mehr ist, sondern als nun Privatdetektiv in scheinbar aussichtslosen Fällen hartnäckig weiter ermittelt. Dafür tritt seine Tochter Maddy in Papas Fußstapfen und bewirbt sich beim LAPD.

Serienposter Sons of Anarchy via Serienjunkies.de

Außerdem hatte ich über den Winter noch ein größeres Projekt laufen: Ich habe mir tatsächlich Sons of Anarchy angesehen, was immerhin 92 Folgen in sieben Staffeln sind, die von 2008 bis 2014 erschienen sind. Um ganz ehrlich zu sein: Zu meinen Serienhighlights wird SOA niemals gehören, weil mir diese Art Verbrecherwelt, die in der Serie beschrieben wird, einfach zu fremd ist. Diese Männerbündelei mit ihren rigorosen Regeln und einem mittelalterlichen Ehrenkodex finde ich abstoßend. Das ist auch mein Problem mit Mafiaserien wie Die Sopranos oder Gomorrha. Wobei Die Sopranos eine ironische Metaebene hat, die mir dann doch wieder ganz gut gefallen hat: Dass ein Mafiaboss über seinen Alltag mit nervigen Schulkindern, einer anspruchsvollen Ehefrau und seinem brutalen Business depressiv wird und eine Psychiaterin aufsucht, ist ein origineller Ansatz.

So lustig geht es in Sons of Anarchy nicht zu. Diese Serie ist Drama pur, Gewalt, Drogen und Sex, Ehre, Blut und Familie. Immerhin gibt es mit Jackson „Jax“ Teller (Charlie Hunnam) eine vergleichsweise sympathische Hauptfigur. Jax ist Vizepräsident des titelgebenden Motorradclubs, der von seinem Stiefvater Clay Morrow (Ron Perlman) geführt wird. Jax lebt und atmet für den Club, fängt aber an, die Methoden seines Stiefvaters zu hinterfragen, insbesondere, nachdem er ein Manuskript findet, das sein leiblicher Vater hinterlassen hat. John Teller war mit der Entwicklung des MC offenbar unglücklich und kam unter ungeklärten Umständen zu Tode.

Wie es sich für ein ordentliches Drama gehört, kommen nach und nach viele dunkle Dinge ans Licht. Jax ist im Grunde ein verhinderter Intellektueller, der immer wieder lesend, schreibend und mit Brille gezeigt wird, obwohl er doch nur ein mittelguter Mechaniker ist, wie er über sich selbst sagt. Er würde gern an die Grundidee des Clubs anknüpfen, die irgendwas mit Freiheit und Selbstverwirklichung zu tun hatte, statt das kriminelle Alltagsgeschäft zu betreiben, mit dem der Club den Unterhalt seiner Mitglieder verdient. Offiziell betreibt der MC im fiktiven nordkalifornischen Ort Charming eine Motorrad- und Autowerkstatt, die von Jax’ Mutter und Clays Ehefrau Gemma ( Katey Sagal) geleitet wird. Das eigentliche Geschäft der Sons sind allerdings Schutzgelderpressung, Waffen- und Drogenhandel, später kommen auch noch Prostitution und die Produktion von Pornos dazu.

Gelobt wurde an der Serie die realistische Darstellung des Bikermilieus, oder zumindest dieser Art des Bikermilieus. Serienautor Kurt Sutter beteiligte Mitglieder der Hells Angels an der Produktion und einige Nebenrollen werden tatsächlich von echten Mitgliedern der Hells Angels gespielt. Ich kann nicht beurteilen, wie realistisch die Serie tatsächlich ist, aber ich kann sagen, dass mir das alles kein bisschen gefällt. Weshalb habe ich mir die Serie dann trotzdem angesehen?

Vor allem, weil es wirklich interessante Figuren und Entwicklungen gibt. Da ist vor allem Gemma, die Matriarchin des Vereins, die, obwohl Frauen in dieser Welt eigentlich nichts zu sagen haben, die Zügel fest in der Hand hält. Die meisten Mitglieder des MC sind Gemma ergeben und würden alles für sie tun. Gemma ihrerseits tut alles für ihre Familie, zu der auch die langjährigen Clubmitglieder gehören. Dabei verfolgt sie immer wieder ihre eigenen Interessen, Gemma ist eine geschickte Manipulatorin. Mit Dr. Tara Knowles (Maggie Siff) bekommt sie allerdings eine ebenbürtige Gegenspielerin.

Tara ist die Jugendliebe von Jax, der, nachdem Tara die Stadt verlassen hat, um Medizin zu studieren, Wendy (Drea de Matteo) geheiratet hat. Wendy ist einfacher gestrickt und passt ins Milieu, allerdings ist sie drogenabhängig, weshalb ihr und Jax gemeinsamer Sohn als Frühchen zur Welt kommt. Tara ist inzwischen nach Charming zurückgekehrt und rettet mit ihrem engagierten Einsatz das Leben dieses Kindes. Jax verlässt Wendy und wendet sich wieder Tara zu, was Gemma überhaupt nicht gefällt. Sie ahnt, dass die kluge und eigenständige Tara eine Bedrohung für sie selbst und für den Club werden könnte.

Im Verlauf der Serie zeigt sich, dass die Rivalität zwischen Gemma und Tara ähnlich komplex ist wie die zwischen Jax und Clay. Die beiden jüngeren wollten alles anders und besser machen, reiben sich aber in den vorhandenen Zwängen auf und übernehmen nach und nach die Methoden, die sie eigentlich ablehnen und zu überwinden hofften. Doch im Gegensatz zu Jax, der in diesem kriminellen Kosmos aufgewachsen ist und nichts anderes kennen gelernt hat, muss Tara erst einmal den Spaß am Regelbruch entdecken. Und während Jax ernsthaft versucht, sich aus dem Umfeld herauszuarbeiten, lässt sich Tara in genau diesen Sumpf hineinziehen.

Es gibt außerdem eine ganze Reihe Nebenhandlungen, die sich um einzelne Clubmitglieder und John Tellers familiäre und geschäftliche Verstrickungen mit Nordirland drehen. Eine wichtige Figur ist auch Chief Wayne Unser, der Polizeichef von Charming, der wegen einer Krebserkrankung pensioniert wird. Er hat mit den Sons eine informelle Übereinkunft über die Sicherheit in Charming getroffen. Der Club garantiert den Frieden innerhalb der Stadt, dafür schaut Unser bei den illegalen Aktivitäten der Biker nicht so genau hin. Allerdings wird dieses Arrangement von anderen Ermittlungs- und Strafverfolgjungsbehörden, etwa der ATF, der DEA oder des FBI immer wieder gestört. Und natürlich gibt es auch rivalisierende Gangs, die eingebunden oder in Schach gehalten werden müssen.

Immerhin eins zeigt diese Serie hingegen ganz klar: Auch die härtesten Anarchos beugen sich den Regeln des kapitalistischen Wirtschaftssystems, denn es geht immer darum, Geld verdienen zu müssen, und zwar möglichst viel davon. Die Sons tun das hauptsächlich mit nicht so richtig legalen Geschäftsmodellen, das ist ihre Form der Anarchie. Und die Ironie der Geschichte ist, dass, je vehementer Jax versucht, aus den kriminellen Machenschaften auszusteigen und den Club wieder in eine andere Richtung zu lenken, desto tiefer wird er in die verbrecherischen Aktivitäten verstrickt. Denn ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Und Jax Teller ist ein Mann. Einer, der seine Kinder liebt, und seine Frau, der seine Mutter ehrt, und der alles für seine Brüder vom MC tut. Aber genau das wird ihm zum Verhängnis. 

Insofern passiert eine ganze Menge. Die Serie ist nicht unbedingt unterhaltsam, dafür hat sie zu wenig Humor, aber man kann sich darauf verlassen, dass alles immer die schlimmst mögliche Wendung nimmt. Was mich zunehmend genervt hat, war das Frauenbild, das in dieser Serie gezeigt wird. Ja, es gibt eine ganze Reihe starker Protagonistinnen. Aber keine von ihnen stellt das ja nun wirklich obertoxische Männerbild infrage, das Grundlage und Inhalt der ganzen SOA-Ideologie ist. Ja, schön, am Ende überarbeiten die Sons ihre Satzung und es wird ein erster schwarzer Mann in ihre Reihen aufgenommen, was zuvor undenkbar war.

Aber es gibt keine einzige Frau, die selbst Motorrad fahren darf. Ganz zu schweigen davon, ein vollwertiges Clubmitglied zu werden. Die Mädels haben den Jungs den Rücken frei zu halten, ihre Schwänze zu lutschen und ihnen auch sonst zu Diensten zu sein. Und wenn sie brav sind, dürfen sie auch mal hinten auf dem Bock mitfahren. Und wenn sie schlau sind, dann führen sie eigene Geschäfte und nutzen ihre Weiblichkeit, um aus dem Männer-Business einen Anteil für sich selbst abzuzweigen. Oder wenigstens für die Kinder…

Hallo?! Das ist eine Serie im 21. Jahrhundert. Wenn das ein realistisches Abbild dieser Szene sein soll, dann wünsche ich mir ja fast einen Atomkrieg, damit bitte schön nichts, aber auch gar nichts davon übrig bleibt. Nein, ernsthaft: Das tue ich natürlich nicht. Aber Sons Of Anarchy fühlte sich beim Ansehen streckenweise ähnlich deprimierend an wie The Handmaids Tale. Eine Serie übrigens, die angesichts der aktuellen Nachrichten aus den USA geradezu prophetisch erscheint, weil sie zeigt, was mit einer Gesellschaft passiert, in der christliche Fundamentalisten das Sagen haben.

Bei den Sons spielt Gott keine Rolle, hier geht es um die Befolgung selbst erstellter Regeln, die nicht unbedingt mit den legalen Rahmenbedingungen konform gehen, dafür aber umso strikter einzuhalten sind. Insofern ist es eigentlich gar nicht schlimm, dass Frauen kein Son werden können. Ist ja auch logisch irgendwie, die Gang heißt schließlich nicht Daughters of Anarchy. Und warum sollte eine Frau bei so etwas mitmachen wollen?! Aber, und das hat mir noch mehr zugesetzt, die Frauen in der Serie machen ja mit. Auch sie leben und sterben für den Club, und dass, obwohl sie eigentlich nichts zu melden haben.

Nicht mal die intelligente und ambitionierte Tara, die als Chirurgin täglich Leben rettet, und jedem der Clubmitglieder intellektuell deutlich überlegen ist, stellt die fragwürdige Ordnung der Sons infrage. Na klar, Jax ist irgendwie süß, aber dass sich eine Frau von Taras Format mit Bitch Fights in der sekundären Clubhierarchie unter den Old Ladys zufrieden geben sollte, leuchtet mir einfach nicht ein. Genau so wenig, wie warum eine Frau die katholische Kirche verteidigen oder sich für eine rechte Partei engagieren sollte. Die Welt der Sons of Anarchy ist ähnlich reaktionär. Und entsprechend gewalttätig.

Insofern verwundert es nicht, das die Geschichte am Ende für so ziemlich alle übel ausgeht, von Staffel zu Staffel werden die Leichenberge höher, der Blutzoll dieser Serie wird höchstens noch von Game of Thrones überboten, nur halt in einer echten Welt. In der allerdings auch aus Ehrgefühl und aus Rache gemordet wird, mehr noch als aus Habgier und zur Vertuschung anderer Verbrechen. Letztlich geht es auch nicht so sehr ums Motoradfahren, was daran liegt, dass der harte Kern der Sons aus alten Männern besteht, die längst schon zu gebrechlich für rasante Fahrten auf heißen Öfen sind. Ein deutsches Bikermagazin erfand passenderweise das Label „Sons of Arthrose“, was optisch leicht mit dem Original-Merchandise-Zeug zur Serie zu verwechseln ist. Und natürlich ein ziemlich guter Witz über diese Serie.

Immerhin hatte Sons of Anarchy eine entfernte Auswirkung auf mein konkretes Alltagsleben. Unter anderem weil Sprit mittlerweile so teuer geworden ist, dass ich nach einer günstigeren Lösung zum Pendeln gesucht habe, erinnerte ich mich an die Idee, Motorradfahren zu lernen. Das wollte ich schon immer mal, aber wie das so ist, wenn man eigentlich keine Zeit und kein Geld für überflüssige Dinge hat, habe ich diese Idee nie ernsthaft verfolgt. Und eigentlich bin ich inzwischen zu alt für den Scheiß. Aber beim Ansehen dieser Serie bekam ich so ein „jetzt erst recht!“-Gefühl und ich habe es, sobald es endlich warm genug für Fahrstunden war, wirklich durchgezogen. Es müssen definitiv mehr Frauen Motorrad fahren…

Katla: Feuer, Eis und Elfenkinder

Wem der Sommer hier derzeit zu heiß ist, kann mit der neuen Netflix-Serie Katla nach Island flüchten, zumindest auf dem Bildschirm. Mit der Serie um einen mysteriösen Vulkanausbruch gibt es nun also auch eine erste Netflix-Produktion aus dem nordischen Inselreich. Die Isländer haben einen skurrilen Achtteiler geliefert, der zum Glück viel mehr ist, als noch ein weiterer Nordic-Noir-Krimi.

Die Geschichte spielt im Dorf Vik, das im isländischen Süden in der Nähe des Vulkansystems der Katla liegt. Die Katla ist einer der aktivsten Vulkane der an Feuerbergen nicht gerade armen Insel. In der Serie dauert der aktuelle Katla-Ausbruch bereits seit einem Jahr an, was sehr ungewöhnlich ist. Die Aschewolken haben aus der einst lieblichen grünen Landschaft eine triste Hölle in unterschiedlichsten Grautönen gemacht. Asche bedeckt alles, nur wenige harren noch im Dorf aus, die meisten Bewohner haben aufgegeben und sind in die Hauptstadt Reykjavik gezogen.

Serienposter Katla Bild: Netflix.com

Zu denen, die noch gegen die Elemente kämpfen, gehört Grima (Gudrun Yr Eyfjörd), die gemeinsam mit ihrem Mann Kjartan (Baltasar Breki Samper) einen Hof betreibt. Die Kühe müssen immer im Stall bleiben, damit die wenige Milch, die sie noch geben, nicht kontaminiert wird. Im Rest des Landes will keiner mehr diese Milch kaufen, deshalb beliefern die beiden lokale Abnehmer. Grima hat vor einem Jahr ihre Schwester Asa (Iris Tanja Flygenring) verloren. Wie Grima auch, gehörte Asa zu einem Rettungsteam, das Touristen vom Katlagletscher retten wollte, als der Vulkan darunter ausbrach. Doch Asa verschwand während des Einsatzes, ihre Leiche wurde zwar nicht gefunden, aber es schien klar zu sein, dass sie in eine Gletscherspalte gestürzt und gestorben sein musste.

Grima leidet sehr unter dem Verlust ihrer großen Schwester und will sich nicht damit abfinden, dass Asa tot ist. Grimas Vater Thor (Ingvar Sigurdsson) ist der Ansicht, dass Grima und Kjartan nach Reykjavik ziehen und ein neues Leben anfangen sollten. Kjartan fände das auch gut, aber Grima weigert sich.

Grima (Gudrun Yr Eyfjörd) Bild: Netflix.com via thecinemaholic.com

Gleichzeitig arbeitet ein kleines Team von Wissenschaftlern in einer Forschungsstation in der Nähe des Vulkanschlotes, um die Aktivität der Katla zu untersuchen und zu überwachen. Eines Tages schicken sie Proben in die Hauptstadt, die den Vulkanologen Darri (Björn Thors) elektrisieren. Die Proben haben eine einzigartige Zusammensetzung, Darri beschließt, der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen.

Doch bevor es dazu kommt, geschieht noch Mysteriöseres: Aus den Aschewolken der Katla taucht eine Frau auf. Sie wirkt verwirrt, ist nackt und über und über mit schwarzer Vulkanasche bedeckt. Sie fragt immer wieder nach Grimas Vater Thor. Bei der Frau handelt es sich offenbar um eine Schwedin, Gunhild (Alliette Opheim), die vor zwanzig Jahren im einzigen Hotel von Vik gearbeitet hat. Im Gegensatz zu der Tochter der damaligen Hotelwirtin, Bergrun (Gudrun Gisladottir), scheint Gunhild jedoch nicht gealtert zu sein.

Thor traut seinen Augen kaum, als er Gunhild zu sehen bekommt. Offensichtlich gibt es zwischen den beiden eine Geschichte – die Frage ist nur: Welche? Und selbstverständlich bleibt es nicht bei diesem einen Rätsel, in den weiteren Folgen tauchen weitere mysteriöse Doppelgänger auf, die den letzten Bewohnern von Vik erheblich zu schaffen machen. Mich erinnert die Handlung an den Roman Solaris von Stanislaw Lem, hier in einer isländischen Variante mit Elementen aus den nordischen Sagas.

Die Aschewolken der Katla Bild: netflix.com viaKA thecinemaholic.com

Der Serienautor Baltasar Kormakur hat mit Katla so ziemlich genau das abgeliefert, was ich von einer isländischen Serie erwartet hätte, eine großartige, aber sehr düstere und lebensfeindliche Landschaft, der sich die Menschen an elementaren Fragen über richtig und falsch, Leben und Tod abarbeiten. Natürlich geht es vor allem um Beziehungen, aktuelle und vergangene, um Schuld und Verlust.

Obwohl das Erzähltempo insgesamt eher nordisch ruhig ist, fesselt die Handlung. Ich tue mich mit Mysteryserien sonst immer etwas schwer, in diesem Fall bin ich aber absolut begeistert davon. Es geschehen zwar übernatürliche Dinge, aber sie sind beklemmend realistisch, Katla ist also keine Konkurrenz zu den Netflix-Hits Dark oder Stranger Things, sondern etwas anderes, etwas eigenes, viel näher an den Menschen. Ich hoffe sehr, dass Katla genügend Zuschauer findet, um Netflix zu überzeugen, eine Fortsetzung zu bringen. Denn davon braucht es definitiv noch mehr…

Unorthodox: Wenn Gott zu viel verlangt

Die vierteilige deutsche Miniserie Unorthodox wird durchaus kontrovers diskutiert. Die Ansammlung schlimmster Klischees über (ultraorthodoxe!) Juden in der Serie zeichne ein Zerrbild des Judentums und befördere den in der Gesellschaft ohnehin vorhandenen Antisemistismus. Nun ja. Wer antisemitisch unterwegs ist, wird gewiss nicht auf diese Serie gewartet haben, um seinen irrationalen Rassenhass zu bestätigen. Mir hat die Serie über die junge Esther („Esty“) Shapiro so gut gefallen, dass ich sie mir wenig später noch ein zweites Mal angesehen habe, und ich finde den Vorwurf idiotisch. Klar, die ultraorthodoxe Gemeinschaft der Satmarer Chassiden, die sich im New Yorker Stadtteil Williamsburg angesiedelt haben, kommt nicht gut weg.

Serienposter Unorthodox mit Shira Haas als Esty. Bild: Netflix (via Serienjunkies.de)

Serienposter Unorthodox mit Shira Haas als Esty. Bild: Netflix (via Serienjunkies.de)

Aber ein aufgeklärter Mensch weiß, dass Orthodoxie keine Spezialität des Judentums ist. Orthodoxe Moslems, orthodoxe Hindus, orthodoxe Christen oder orthodoxe Veganer sind genauso durchgeknallt. Orthodoxe Leninisten oder Neoliberale übrigens auch. Sie alle wähnen sich im Besitz des einzig wahren Glaubens oder der wirklich wahren Wahrheit  (was angesichts der Fülle einziger Glaubensrichtungen und Wahrheiten schon absurd genug ist) und erwarten, dass ihre Gesetze unbedingt befolgt werden müssen und alles andere dahinter zurückzustehen hat. Das Individuum hat sein Glück gefälligst im Dienst an der großen, guten, gerechten Sache zu finden. Wer damit nicht klar kommt, wird mit Zuckerbrot und Peitsche „überzeugt“. Doch wenn das schief läuft, bleibt nur noch die Flucht.

Die New Yorker Jüdin Esty (Shira Haas) ist in einer durch religiöse Vorschriften sehr beengten Welt aufgewachsen, sie kennt nichts anderes. Sie wurde von ihrer Großmutter aufgezogen, die den Holocaust überlebt hat. Die Ehe ihrer Mutter Lea Mandelbaum, die aus England nach New York kam, scheiterte, die Mutter floh ausgerechnet nach Berlin. Damit ist sie für die Familie erledigt. Die Gemeinschaft beanspruchte das Kind und zog Esty im Glauben auf, dass ihre Mutter sie verlassen habe. Mit 17 wird Esty verheiratet, eine reguläre Ausbildung oder gar eine eigene Entscheidung über ihre künftige Lebensführung wird Frauen in dieser strengen Religionsgemeinschaft verwehrt, sie sollen möglichst viele Kinder gebären und aufziehen und natürlich ihre Männer umsorgen, damit diese sich dem Tagesgeschäft und dem Thorastudium widmen können.

Estys Glück über die Hochzeit mit Yanki Shapiro, dem Sohn einer angesehenen Diamantenhändlerfamilie, ist von kurzer Dauer, die unerfahrene Esty kommt mit den Bedürfnissen ihres ebenso unerfahrenen Gatten nicht klar. Die sexuellen Probleme der beiden führen zu einer harten Belastungsprobe, weil Esty nach einem Ehejahr noch immer nicht schwanger ist. Yanki denkt über eine Scheidung nach, da passiert es doch: Esty wird schwanger. Doch bevor Yanki davon erfährt, entschließt Esty sich zur Flucht. Ihre Mutter hat ihr anlässlich ihrer Hochzeit einen Umschlag mit Papieren zukommen lassen, mit denen Esty die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen kann. Mit der Unterstützung ihrer welterfahrenen Klavierlehrerin, die Esty für erlassene Mietzahlungen entgegen aller chassidischen Regeln Unterricht erteilt hat, besorgt Esty die nötigen Dokumente, etwas Geld und ein Flugticket nach Berlin.

In Berlin kann sich Esty mit einer Mischung aus haarsträubender Naivität und knallhartem Überlebensinstinkt durchschlagen, weil sie auf eine Gruppe aufgeschlossener MusikstudentInnen aus aller Welt trifft. Ja, das ist schon eine Menge Multi-Kulti-Kitsch dabei, aber andererseits ist genau das eine der Qualitäten des Lebens in Berlin, deswegen wollen so viele junge Menschen in die deutsche Bundeshauptstadt. Während ihr Ehemann und sein windiger Cousin mit krimineller Vergangenheit in Berlin nach Esty suchen, um sie zurück zu holen, versucht Esty, sich eine Grundlage für eine unabhängige Existenz aufzubauen. Ihr ist klar, dass sie ohne Ausbildung und Beruf keine Chance auf ein selbstständiges Leben hat.

Estys Kampf um ihr eigenes, selbstbestimmtes Leben ist absolut sehenswert. Die Serie beruht auf einem Roman von Deborah Feldmann, die ihre eigenen Erlebnisse darin verarbeitete. Das Drehbuch stammt von Anna Winger und Alexa Karolinski, die Unorthodox auch produziert haben, Regie führte Maria Schrader. Hier ist also eine Menge Frauenpower am Start, was dringend nötig ist, denn noch immer dominiert auch im Serienbereich die männliche Sicht auf die Welt.

Um so wichtiger, dass sich das endlich ändert. Dass Berlin in dieser Serie ein bisschen besser und schöner wirkt, als es eigentlich ist: geschenkt. Wie wäre es mit einer Fortsetzung, in der die absurde Bürokratie und der nervenzehrende Alltag einer alleinerziehenden Mutter in Berlin thematisiert werden?

Dark: Zeit ist nur eine Illusion

Als die erste für Netflix produzierte deutsche Serie Dark Ende 2017 erschien, war ich ziemlich enttäuscht. Ich hatte so etwas wie Who Am I erwartet, jenem Hacker-Film von Baran bo Odar, der eine Art Vorläufer für die Ausnahmeserie Mr. Robot von Sam Esmail war. Oder eine vielschichtige Krimiserie wie The Killing. Aber Dark war etwas ganz anderes. Eine sehr deutsche Serie, die in der zwar fiktiven, aber eben auch sehr deutschen Kleinstadt Winden spielt. Und noch schlimmer: Dark war weder eine Krimi-, noch eine Hackerserie, sondern ein Mysterydrama. Und Mystery ist einfach nicht mein Ding. 

Ich habe mir Dark dann aber trotzdem angesehen, weil es schon gut gemacht ist, es gibt stimmungsvolle Bilder von deutschen Waldlandschaften, ein imposantes Kernkraftwerk und auch mit der sonstigen Ausstattung haben sich die Serienmacher große Mühe geben. Und irgendwie ist es auch eine Familienserie, es geht um das Schicksal von vier Familien, die in Winden leben: Die Dopplers, die Nielsens, die Kahnwalds und die Tiedemanns. Sie alle haben ihre Geheimnisse und pflegen die üblichen Lebenslügen. Die Handlung setzt am 21. Juni 2019 mit dem Selbstmord von Michael Kahnwald (Sebastian Rudolph) ein, der einen Brief hinterlässt, der nicht vor den 4. November um 22:13 geöffnet werden soll. Und es verschwinden Kinder. Im Jahr 2019 ist es Erik Obendorf, der vermisst wird.

Poster Netflix-Serie Dark

Poster Netflix-Serie Dark Bild: Netflix

Charlotte Doppler (Karoline Eichhorn) und Ulrich Nielsen (Oliver Masucci) von der örtlichen Polizeieinheit nehmen die Ermittlungen auf. Ulrich Nielsen ist Mikkels Vater, dem kleinen Bruder von Magnus und Martha, der als nächstes verschwindet. Mikkel war mit einer Gruppe Jugendlicher aus dem Ort unterwegs, die nach dem Drogenversteck gesucht hat, das Erik angeblich angelegt hat. Sie suchen in den Windener Höhlen, die eine zentrale Rolle in der Serie spielen.

Das weit verzweigte Höhlensystem birgt allerlei Geheimnisse und soll sogar bis unter das Gelände des Kernkraftwerks reichen, das für den ansonsten unspektakulären Ort der wichtigste Wirtschaftsfaktor ist. Nun ja, geologisch wirft das durchaus Fragen auf, aber Kernkraftwerke wurden auch in Deutschland nicht unbedingt an den dafür geeignetsten Standorten gebaut, sondern dort, wo der Widerstand in der Bevölkerung nicht unüberwindbar hoch war, insofern geht das schon klar. Das Atomkraftwerk spielt in der Serie durchaus eine Rolle, aber eher als geheimnisvoller Ort, an dem rätselhafte Dinge passieren, es geht in der Serie schließlich nicht um das Protokoll einer Atomkatastrophe, sondern um Zeitreisen.

Bei der Suchaktion der Polizei wird die Leiche eines Jungen gefunden, der am Kopf merkwürdige Verbrennungen hat. Es handelt sich allerdings weder um Erik, noch um Mikkel. Die Nervosität in Winden steigt, die Leute sind verunsichert und bekommen Angst. Mikkel hingegen taucht wieder auf und geht nach Hause, dort wohnen allerdings Menschen, denen er noch nie begegnet ist. Mikkel ist im Jahr 1986 gelandet. Danach springt die Handlung zwischen den Jahren 2019 und 1986 hin und her, wir erleben, wie Mikkel im Jahr 1986 fest hängt, während in Winden ein weiterer Junge verschwindet. Michael Kahnwalds Sohn Jonas (Louis Hofmann) bekommt von einem rätselhaften Fremden ein Paket, in dem neben einer coolen Lampe und einem Geigerzähler auch der verloren geglaubte Abschiedsbrief seines Vaters ist. Jonas erfährt, dass sein Vater Michael der kleine Mikkel Nielsen aus dem Jahr 1986 ist, der von Ines Kahnwald aufgezogen wurde. Anhand einer Karte der Windener Höhlen, die Jonas im Atelier seines Vaters gefunden hat, findet er den Durchgang, der die Zeitreisen ermöglicht.

Es kriselt in sämtlichen betroffenen Familien, die irgendwie mit dem Verschwinden ihrer Kinder und Geschwister klar kommen müssen. Da ist beispielsweise Ulrich Nielsen, dessen jüngerer Bruder Mads im Jahr 1986 verschwunden ist. Als sein Sohn Mikkel verschwindet, scheint sich alles zu wiederholen. Charlotte muss ihn schließlich wegen Befangenheit von dem aktuellen Vermissten-Fall abziehen. Aber Ulrich ermittelt auf eigene Faust weiter. Er findet heraus, dass die Kinderleiche, die gefunden wurde, sein Bruder Mads sein muss.

Aufgrund von Notizen in alten Polizeiakten verdächtigt Ulrich den inzwischen dementen Helge Doppler, etwas mit dem Verschwinden von Mads und Mikkel zu tun zu haben. Ulrich folgt Helge, als der aus dem Heim verschwindet und sich zu den Windener Höhlen aufmacht und findet auf diese Weise heraus, wo der Durchgang für die Zeitreisen ist. Allerdings landet Ulrich im Jahr 1953. Dort trifft er tatsächlich auf den kleinen Helge und versucht, ihn zu erschlagen, um zu verhindern, dass er als Erwachsener Mads und Mikkel ermorden kann, was er nicht getan hat, aber Ulrich ist davon überzeugt. Helge überlebt allerdings, auch wenn er für den erst seines Lebens von den schweren Kopfverletzungen gezeichnet bleibt.

Bevor Ulrich zurück in seine Zeit reisen kann, wird der vom jungen Polizist Egon Tiedemann aufgegriffen und verhaftet. Kurz zuvor wurden die Leichen von Erik Obendorf und Yasin Friese auf der Baustelle des künftigen Atomkraftwerks gefunden. Die Polizei kann sich keinen rechten Reim auf die merkwürdige Kleidung der Kinder machen, aber sie sind tot und der blutbeschmierte Ulrich ist mehr als verdächtig. Ulrich wird als verrückter Kindermörder für den Rest seines Lebens eingesperrt.

Am Ende der ersten Staffel landet Jonas in einer düsteren Zukunft, um das offensichtlich zerstörte Atomkraftwerk wurde eine Sperrzone errichtet. Jonas wird von einer Gruppe zerlumpter, bewaffneter Gestalten gefangen genommen, die junge Anführerin schlägt ihn mit den Worten „Willkommen in der Zukunft“ ohnmächtig.

In der zweiten Staffel wird die Figur von Jonas noch wichtiger, er glaubt, dass er derjenige ist, der alles, was durch die Fehler in der Zeit schief gegangen ist, wieder in Ordnung bringen kann. Er ist allerdings nicht der einzige, der alte Fehler ausbügeln will. So kommen Egon Jahrzehnte später (also 1986) Zweifel, ob er damals richtig gehandelt hat. Seine überaus intelligente Tochter Claudia (Julika Jenkins) ist die inzwischen erste Chefin eines Atomkraftwerks in Deutschland, worauf Egon sehr stolz ist, auch wenn das Verhältnis zu seiner Tochter und seiner Enkelin Regina sonst eher kühl ist. Egon will, bevor er in Rente geht, das Verschwinden von Mads Nielsen aufklären und erinnert sich an den Fall von 1953.

Claudia hingegen verschwindet in gewisser Weise ebenfalls, sie streift als Zeitreisende durch die Epochen. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, die Sic-Mundus-Organisation zu bekämpfen, ein Geheimbund von Zeitreisenden, den es bereits seit 1921 gibt. Claudia lässt auch die Zeitmaschine bauen, sie bringt dem Uhrmacher H. G. Tannhaus im Jahr 1953 die Pläne für eine komplizierte mechanische Maschine, die erst 33 Jahre später fertig sein wird. Die Zeitmaschine wird mit Cäsium-137 betrieben. Cäsium ist das Element, dessen Frequenz für die Atomuhren genutzt wird, mit denen die gültige Weltzeit bestimmt wird. Als Chefin eines Kernkraftwerks kommt sie natürlich an eine solche Substanz, die bei der Kernspaltung entsteht.

Gleich am ersten Tag als Nachfolgerin des bisherigen Chefs des Windener Atomkraftwerks, Bernd Doppler, dem Vater von Helge Doppler, hat sie herausbekommen, dass kurz zuvor ein atomarer Störfall vertuscht wurde. Claudia will damit an die Öffentlichkeit, lässt sich aber vom alten Doppler überzeugen, dass ein Aus für das AKW den wirtschaftlichen Niedergang für die ganze Region bedeuten würde. Als es einen weiteren Zwischenfall gibt, wertet Claudia die Daten aus und entdeckt darin den Nachweis für die Existenz des so genannten Gottesteilchens, des Higgs-Bosons. Leider kann sie diese sensationelle Entdeckung nicht veröffentlichen, ohne die Störfälle bekannt zu machen. Also hält sie ihre Entdeckung geheim, stellt aber weitere Nachforschungen an. Sie will ihre Erkenntnisse ebenfalls dazu nutzen, um die Dinge in Winden wieder in Ordnung zu bringen. Mit ihren älteren Ich nimmt sie in unterschiedlichen Zeiten zu verschiedenen Windenern Kontakt auf, um ihr Wissen mit ihnen zu teilen, damit sie in ihrer jeweiligen Zukunft richtig handeln können. Allerdings muss sie dabei erkennen, dass sie dadurch genau die Ereignisse erst verursacht, die sie eigentlich verhindern wollte.

Es bleibt nicht aus, dass immer mehr Menschen in Winden von der Existenz der Zeitreisen und der Zeitmaschine erfahren. Das macht die Sache aber noch viel komplizierter, weil es immer mehr Interaktionen in den unterschiedlichen Zeitebenen gibt, die wiederum Konsequenzen auf das künftige Leben aller anderen haben können. Wer auf derartige Mindfuck-Geschichten steht, kann mit Dark ziemlich glücklich werden. Ich liebte in den 80ern Zurück in die Zukunft, allerdings war gerade der erste Film der Trilogie sehr viel lustiger als Dark. Das ist auch eins der Probleme dieser Serie, die sich überaus philosophisch und total ernst gemeint gibt und deshalb leider vollkommen humorfrei ist. Ab und zu mal ein Augenzwinker-Moment und dafür weniger schwülstiges Geschwurbel aus dem Off, und Dark wäre eine richtig gute Serie geworden, der man das eine oder andere schwarze Logik-Loch verzeihen kann, weil sie wenigstens gut unterhält. So macht es Dark einem aber schwerer als nötig, den ganzen Handlungssprüngen, Zeitschleifen und Paradoxien zu folgen. Wobei ich auch sagen muss, dass ich die zweite Staffel besser fand als die erste. Vielleicht hatte ich mich jetzt auch einfach darauf eingelassen, dass Dark eben so ist, wie es ist. Vielleicht reißt es die dritte Staffel ja endgültig heraus, nach der dann für immer Schluss sein wird.

Seven Seconds: Kein Handy am Steuer

Für Fans der leider nicht mehr auf Netflix verfügbaren Krimiserie The Killing hat die Plattform einen würdigen Ersatz im Programm: Den Zehnteiler Seven Seconds. Auch hier war Veena Sud für Drehbuch und Produktion verantwortlich. Wie schon bei The Killing  (und der großartigen dänischen Vorlage Forbrydelsen) geht es in der Krimi-Handlung nicht nur darum, einen Schuldigen zu finden, sondern auch zu zeigen, was der gewaltsame Tod eines geliebten Menschen für Auswirkungen auf die Überlebenden hat. Auf die Familie des Opfers, aber auch auf den Täter und sein Umfeld, und nicht zuletzt auf die Menschen, die ein solches Verbrechen als Angehörige von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden aufzuklären und zu ahnden haben.

Serienposter seven seconds Bild: Netflix

Serienposter seven seconds Bild: Netflix

Genau wie bei The Killing es handelt es sich um ein Remake – in diesem Fall war es allerdings keine komplette Serie, deren Handlung in die USA verlegt wurde. Als Inspiration diente der russische Film Майор, der im Jahr 2013 sowohl in Cannes als auch auf den Filmfestival in Toronto vorgestellt wurde. In dem Film von Yuri Bykow überfährt der russische Polizist Sergei Sobolev versehentlich ein Kind, als er auf dem Weg zu seiner Frau ist, bei der die Wehen eingesetzt haben. Aus Korpsgeist vertuschen die Kollegen das Verbrechen, in dem sie die einzige Zeugin des Vorfalls, die Mutter des Jungen, in Misskredit bringen. Im Laufe der Zeit bereut Sobolev seine Entscheidung und beschließt, zu gestehen und die Strafe dafür in Kauf zu nehmen, doch seine Kollegen sind damit nicht einverstanden, denn jetzt hängen sie ja alle mit drin. Alles in allem handelt es sich um einen ziemlich brutalen Film über Korruption innerhalb der russischen Polizei, den ich mir schon deshalb angesehen habe, weil es auffallend wenig Filme aus Russland überhaupt auf westliche Filmfestivals schaffen.

Es ist kein schöner, sondern ein alles in allem sehr unangenehmer Film, der aber genau deshalb wieder gut ist, weil er genau das Übel, das sein Thema ist, schonungslos offenlegt. Ich kann mir vorstellen, dass die offiziellen russischen Behörden, um die es unter anderem geht, Probleme damit haben. Was wiederum auch erklärt, warum dieser Film im Westen gelaufen ist: Hier wird ja gern gezeigt, was in Russland nicht funktioniert und einfach nur schlimm ist.

Insofern ist es ein besonderes Verdienst von Veena Sud und ihrer Serie, dass sie dieses Übel überaus glaubwürdig in den US-Polizeiapparat verlegt hat: In den USA ist die Korruption im System nicht weniger schlimm. Ich persönlich fände ja auch mal eine Serie gut, in der die Korruption und der Korpsgeist innerhalb der deutschen Polizei einmal kritisch aufgearbeitet würde, die Mordserie des NSU beispielsweise wäre da ein schier unerschöpfliches Thema. Dafür könnte man gern ein paar Millionen aus dem Rundfunkbeitrag abzweigen, den ich jeden Monat zahlen muss, obwohl ich inzwischen lieber Netflix und Amazon kucke. Die ja letztlich auch nur böse Konzerne sind, die Geld scheffeln wollen.

Seven Seconds: Peter Jablonski (Beau Knapp), Felix Osorio (Raúl Castillo) und Mike DiAngelo (David Lyons) Bild: Netflix

Seven Seconds: Peter Jablonski (Beau Knapp), Felix Osorio (Raúl Castillo) und Mike DiAngelo (David Lyons) Bild: Netflix

Zurück zu Seven Seconds: Anders als in The Killing steht hier nicht eine Ermittlerin der Polizei im Vordergrund, die für die Aufklärung des titelgebenden Verbrechens nicht nur ihr Privatleben, sondern auch ihre berufliche Karriere ruiniert, sondern eine Schicksalsgemeinschaft aus sehr unterschiedlichen Menschen, deren Lebenswege sich durch einen tragischen Unfall kreuzen: Als der junge Drogenfahnder Peter Jablonski (Beau Knapp)  an einem kalten Wintermorgen auf dem Weg zu seiner schwangeren Frau ist, die wegen Blutungen ins Krankenhaus musste, telefoniert er mit dem Handy und achtet ein paar Sekunden nicht auf die Straße. Er kollidiert plötzlich mit etwas, was sich wenig später als ein Radfahrer herausstellt – unter dem Fahrzeug ragt der Hinterreifen eines teueren BMX-Rads hervor, in dem eine Pappmaché-Möwe steckt.

Voller Panik informiert der junge Polizist seinen Vorgesetzten Mike DiAngelo (David Lyons), der sich mit seinen Team sofort an den Unfallort begibt. Dem abgebrühten Cop ist gleich klar, dass das nicht gut aussehen wird – ein weißer Bulle überfährt ein schwarzes Kind. Und weil das teure Fahrrad darauf hinweist, dass der Junge zu einer in Jersey City berüchtigten Gang gehört, trifft Captain DiAngelo die folgenschwere Entscheidung, die Sache zu vertuschen. Eigentlich will der ehrliche Cop Jablonski sich stellen, doch DiAngelo überredet ihn, ins Krankenhaus zu seiner Frau zu fahren und ihm und den beiden Kollegen den Rest zu überlassen. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf.

Wie in der russischen Vorlage Майор sind die handelnden Personen gezwungen, im Verlauf der Handlung immer schlimmere Dinge zu tun, um ihre Story glaubwürdig erscheinen zu lassen. Und weil eine Serie sehr viel mehr Zeit für Nebenhandlungen hat, gibt es in Seven Seconds noch zwei bemerkenswerte Antagonisten: Die ermittelnde Staatsanwältin KJ Harper (Claire-Hope Ashitey) und den skeptischen Bullen Joe „Fish“ Rinaldi (Michael Mosley).

Das schwarze Waisenkind KJ wurde von weißen Eltern in einem komfortablen Vorort von New York aufgezogen, konnte von einer erstklassigen Ausbildung profitieren und ist doch ein Wrack, sie hat eine verhängnisvolle Beziehung zu Gin und zu Karaoke-Bars. Im Verlauf der Handlung kommt ihre verstörende Geschichte ans Licht; in ihrer Funktion als Vollstreckerin der Staatsgewalt muss sie Dinge anordnen, die mitunter fatale Auswirkungen auf Unbeteiligte haben. Das musste KJ auf die harte Tour lernen und sie ist daran zerbrochen.

Insofern ist es nicht unbedingt ein Glück für die Eltern von Brenton Butler, dass ihr Fall ausgerechnet bei KJ landet. Aber – wie wir als ausgebufftes Serienpublikum ahnen – KJ wird diesen Fall zu ihrer persönlichen Definition von Sieg oder Niederlage machen und damit dann entweder mit wehenden Fahnen untergehen, oder einen unerwarteten Sieg einfahren. Oder auch keins von beiden, denn das Justizsystem der USA ist, nun ja, kompliziert.

Seven Seconds: Die Eltern Latrice Butler (Regina King) und Isaiah Butler (Russell Hornsby) Bild: Netflix

Seven Seconds: Die Eltern Isaiah Butler (Russell Hornsby) und Latrice (Regina King) Bild: Netflix

 

Der Fall erweist sich für alle Beteiligten als harte Nuss. Das Umfeld von Brenton Butler ist nicht unbedingt ideal: Auch wenn seine Mutter eine Mittelschullehrerin ist und sein Vater ein hart arbeitender Mann, der immer seine Schulden bezahlt und beide Eltern in ihrer Kirchengemeinde gut integriert sind: Der kleine Bruder des Vaters ist Mitglied einer berüchtigten Gang in New Jersey, und dieses teure Fahrrad, mit dem Brenton zum Zeitpunkt des Unfalls unterwegs war, unterstützt die These seiner Gangzugehörigkeit. Und klar, das ist rassistisch, aber dennoch ein Umstand, der gegen ihn spricht: Mitglieder von kriminellen Gangs kommen nun mal schneller unter ungeklärten Umständen zu Tode als unbescholtene Bürger. Angesichts der Faktenlage ist es also naheliegend, Brenton Butler als Opfer eines Konfliktes unter rivalisierenden Gangs zu deklarieren.

Natürlich sind Brentons Eltern mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Ihr Junge war ein guter Junge, und sie bekommen starken Rückhalt in der Black-Lives-Matter-Bewegung. Mit der hat Detective Rinaldi zwar nichts am Hut, aber auch ihm fällt auf, dass hier irgendwas nicht stimmen kann. Er gehört nicht zur eingeschworenen Bruderschaft in seinem Polizeirevier, er ist ein streitbarer Außenseiter, der seinen Job ernst nimmt. Entsprechend hartnäckig ermittelt er in diesem unbefriedigenden Fall, den seine Vorgesetzten nur zu gern zu den Akten legen würden.

Seven Seconds: KJ Harper (Claire-Hope Ashitey) und Joe "Fish" Rinaldi (Michael Mosley) Bild: Netflix

Seven Seconds: KJ Harper (Claire-Hope Ashitey) und Joe „Fish“ Rinaldi (Michael Mosley) Bild: Netflix

Wie in der Vorlage führt der Ermittlungsdruck dazu, dass die Polizisten zu immer extremeren Maßnahmen greifen müssen, um ihre Version des Vorfalls zu stützen. Natürlich bleibt es auch Jablonskis Frau Marie nicht verborgen, dass etwas passiert sein muss: Ihr Peter ist nicht mehr derselbe. Nach und nach gerät das Leben sämtlicher Beteiligten aus den Fugen.

Insgesamt handelt es sich also um eine reichlich düstere Geschichte, in der am Ende alle verlieren. Aber genau das macht die Qualität dieser Serie aus: Die handelnden Personen haben alle vermeintlich gute Gründe, für das, was sie tun. Oder lassen. Ihren persönlichen Maßstäben nach wollen sie einfach das Richtige tun, was sich dann aber als falsch herausstellt. Und auch die Eltern des Opfers Brendon Butler müssen erkennen, dass sie ihren Sohn nicht wirklich gekannt haben. Seven Seconds ist eine mutige und wichtige Serie über soziale und rassistische Vorurteile und gleichzeitig eine Reflexion über Schuld und Sühne. 

When Heroes Fly: Kaputte Helden im Dschungel

Auch wenn mir Netflix mit unpassenden Serienverschlägen oft auf die Nerven geht, sind ab und zu tatsächlich Serien dabei, die mir dann doch gefallen. Etwa die israelische Serie When Heroes Fly von Keshet International, die auf den ersten Blick wie ein Kriegsepos aussieht, auf das ich überhaupt keine Lust hatte, sich dann aber unerwartet als spannender Thriller herausstellt. Einst waren Aviv, Benda, Dubi und Himmler (der eigentlich Dotan heißt) unzertrennliche Freunde, die zusammen gedient und gefeiert haben – Team Azulay, benannt nach ihrem hochverehrten Kommandeur bei der israelischen Armee.

Team Azulay: Benda (Moshe Ashkenazi), Himmler (Michael Aloni), Yael (Ninet Tayeb), Aviv (Tomer Kapon) und Dubi (Nadav Netz)

Team Azulay: Benda (Moshe Ashkenazi), Himmler (Michael Aloni), Yael (Ninet Tayeb), Aviv (Tomer Kapon) und Dubi (Nadav Netz)

Die Armee spielt im Leben der Israelis eine große Rolle, die Wehrpflicht beträgt für Männer drei Jahre, für Frauen zwei, danach gibt es für Männer noch den Reservedienst bis sie 51 Jahre als sind, und zwar bis zu 39 Tage im Jahr. Das ist bei den vier Freunden nicht anders, 2006 werden die Reservisten von Team Azulay einberufen und auf eine Mission in den Libanon geschickt. Auf dem Rückzug geraten sie in einen Hinterhalt der Hisbollah, Azulay wird schwer verwundet und befiehlt Aviv, der als einziger den Rückzugsweg kennt, sich mit den anderen zurückzuziehen und ihn zurückzulassen. Aviv befolgt den Befehl und rettet damit den anderen das Leben, aber die Sache lässt ihn nicht mehr los. Insbesondere Himmler wirft ihm vor, nicht alles versucht zu haben, um Azulay zu retten oder zumindest seine Leiche zu bergen. Denn wenn man als Jude nicht möglichst vollständig beerdigt wird, kann man am jüngsten Tag nicht auferstehen. Nach dem Tod von Azulay lebt sich Team Azulay auseinander – die vier haben sich nichts mehr zu sagen.

Bis Benda, der nach Kolumbien ausgewandert ist und mit seiner Freundin Maria ein israelisches Restaurant in Bogotá betreibt, zufällig auf einem Bild in der Zeitung Yael erkennt. Yael, die Schwester von Dubi, die mit Aviv zusammen war und vor vielen Jahren bei einem Autounfall in Kolumbien ums Leben gekommen sein soll. Benda ruft Aviv an, der unter schweren Depressionen leidet und wieder bei seiner Mutter lebt, weil er nach jenem fatalen Einsatz nicht mehr in sein vorheriges Leben zurückgefunden hat. Es kommt, wie es kommen muss: Nach anfänglichem Unwillen lässt sich Aviv überzeugen, dass Yael möglicherweise noch lebt und er sie unbedingt finden muss. Auch Dubi und Himmler beschließen, Aviv zu begleiten. Und so haben die vier schließlich wieder eine gemeinsame Mission, auch wenn jeder von ihnen eigene Gründe hat, daran teilzunehmen.

In Rückblenden wird erzählt, was die vier inzwischen erlebt haben. Der religiöse Dubi ist Lehrer geworden und hat Frau und Kinder. Allerdings ist er sich mit dem Glauben nicht mehr so sicher. Himmler hat von seinem Vater einen Konzern geerbt, den er nun führt. Er hat eigentlich alles, Erfolg und Geld ohne Ende, aber da ist diese Diagnose. Benda hingegen war ganz unten, aber hat sich Maria zuliebe wieder aus dem Drogensumpf herausgearbeitet. Aviv ist noch immer unten, hat jetzt aber vielleicht die Chance, endlich einmal etwas richtig zu machen. Also wird die Reise in den kolumbianischen Dschungel für die Freunde vor allem eine Reise zu sich selbst. Und gleichzeitig ist es die vielleicht letzte Gelegenheit, die Dinge zu bereinigen, die zwischen ihnen stehen. Und es stellt sich heraus, dass da viel mehr ist, als anfangs zu vermuten war.

Natürlich gibt es dann auch noch eine solide Thrillerhandlung drumherum, es geht in Kolumbien nicht ohne skrupellose Drogenkartelle und korrupte Polizisten. Und die israelische Polizei ist auf der Suche nach der Quelle dieser neuen Droge, die immer mehr junge Israelis das Leben kostet. Die Freunde kommen auf ihrer Suche nach Yael ausgerechnet dem Drogenboss in die Quere, dem auch eine hartnäckige israelische Ermittlerin auf der Spur ist, die noch eine sehr persönliche Rechnung mit ihm offen hat. Die eine oder andere Verwicklung wirkt am Ende doch ein bisschen weit hergeholt, aber alles in allem ist die Geschichte spannend und gut erzählt, so dass die zehn Teile der Serie viel zu schnell vorbei sind. Fazit: When Heroes Fly ist eine gewagte, aber durchaus gelungene Mischung aus Actionthriller, Mystery- und Psychodrama. Davon gern mehr.

Rückblick Homeland Staffel 6

So, die sechste Staffel von Homeland ist auch schon wieder durch – und ich fand sie gar nicht so schlecht. Ich fand sie sogar besser als die meisten Staffeln zuvor – wobei das ja nicht so schwer ist. In dieser Staffel war es endlich wieder so spannend und vertrackt wie am Anfang der Serie, als ja auch nicht klar war, ob der einst vermisste, nach langer Gefangenschaft im Nahen Osten befreite US-Soldat Nicolas Brody ein endlich heimgekehrter Kriegsheld ist oder nicht vielleicht doch ein gefährlicher Terrorist.

Dieses Mal ging es um eine Verschwörung innerhalb des auch durch den massiven Ausbau in den Jahren nach 9/11 ziemlich unübersichtlich Geheimdienstapparates der USA, ein Thema, das durch Serien wie Quantico oder Designated Survivor derzeit ziemlich überstrapaziert wird, aber ich muss sagen, dass mir die Homeland-Variante dann doch deutlich besser gefallen hat. Schon weil diese Serie die derzeit coolste Titelmusik hat und auch sonst der Soundtrack viel weniger nervt als eben bei den anderen genannten Beispielen, wo eben alles fürchterlich brachial ist, leider vor allem die Musik.

Homeland: Carrie Mathison (Claire Danes) und Mrs President-elect Elizabeth Keane (Elizabeth Marvel)

Homeland: Carrie Mathison (Claire Danes) und Mrs President-elect Elizabeth Keane (Elizabeth Marvel) Bild: JoJo Whilden/SHOWTIME

Nun glänzt auch Homeland sonst nicht gerade mit Subtilität, aber immerhin trauen sich die Macher was, mir hat das fiese Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Geheimdienst-Veteranen Saul Berenson und Dar Adal gut gefallen, und auch, dass das Team um den Produzenten Alex Gansa genau wie so ziemlich alle anderen Kreativen in den USA bei den Präsidentschaftswahlen aufs falsche Pferd gesetzt hat – eine Mrs. President-elect war nun mal für das, was in der Staffel passiert, in jeder Hinsicht passender als eine Trump-Variante, die ohnehin nie so knallchargenhaft darstellbar wäre, wie der echte Trump agiert.

Homeland: Peter Quinn (Rupert Friend), Frannie (Claire McKenna) und Carrie Mathison (Claire Danes) Bild: Showtime

Homeland: Peter Quinn (Rupert Friend), Frannie (Claire McKenna) und Carrie Mathison (Claire Danes) Bild: Showtime

Elizabeth Keane als eine Präsidentin der vereinigten Minderheiten hingegen, die angetreten ist, um die Bürgerrechte zu stärken und Kriege zu beenden und deshalb ja auch mit knapper Mehrheit gewählt wurde, ist da für erfahrene Polit-Serien-Zuschauer doch viel glaubwürdiger, wenn sie sich am Ende als eiserne Lady entpuppt, die genau das Gegenteil von dem tut, was sie versprochen hat – hier gibt es eine Menge Parallelen zu Präsident Obama. Es ist ja nicht so, dass Keane sich nicht gegen die ihr vorgesetzten Lösungen des Staatsapparates auflehnen würde – sie versucht durchaus, eigene Akzente zu setzen. Mir hat vor allem die Folge nach dem Attentat gefallen, das Carries Schützling Sekou in die Schuhe geschoben wurde, in der sie mithilfe einer Haushälterin aus dem supersicheren Versteck entflieht, in das sie nach dem Anschlag routinemäßig gebracht wird, und nach New York zurückkehrt, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie sich eben nicht verstecken will.

Homeland: Saul Berenson (Mandy Patinkin), Bild: Showtime

Homeland: Saul Berenson (Mandy Patinkin), Bild: Showtime

Hier wird klar, dass es gewiss US-Kräfte sein müssen, die Keane unglaubwürdig machen und demontieren wollen, weil ihnen diese Präsidentin nicht passt. Natürlich wird auch hier dick aufgetragen, aber wie wir inzwischen aus dem wahren Leben wissen – manchmal ist die Realität noch schlimmer. Und dieser Brett O’Keefe (Jake Weber), ein selbsternannter Wahrheitsfanatiker, der eine provokante TV-Show betreibt, in der er „Lügen der Regierung“ aufdeckt, womit er natürlich nichts anderes als alternative Fakten produziert, die die Realität ebensowenig abbilden, wie andere fake news auch, ist leider eine Figur, die geradezu ekelhaft realistisch ist. Insofern ist es wirklich bitter, dass er am Ende dann auch noch irgendwie recht behält, weil die von ihm kritisierte Präsidentin Keane sich einmauert und knallhart ihr Ding durchzieht – natürlich bekommt sie nun von keiner Seite Lob, auch nicht von denen, die ihr unterstellt haben, dass sie genau dazu nicht fähig wäre.

Homeland: Elizabeth Keane (Elizabeth Marvel), Dar Adal (F. Murray Abraham) und Rob Emmons (Hill Harper) Bild: JoJo Whilden/SHOWTIME

Homeland: Elizabeth Keane (Elizabeth Marvel), Dar Adal (F. Murray Abraham) und Rob Emmons (Hill Harper) Bild: JoJo Whilden/SHOWTIME

Für Carries langjährigen Vertrauten Peter Quinn geht die Staffel auch nicht besser aus – er hat dank Carrie die fünfte Staffel ja ohnehin nur knapp überlebt und hadert nun mit seinen körperlichen Einschränkungen nach seiner Beinahe-Exekution als Versuchskaninchen für einen Giftgas-Anschlag des IS. Dass Carrie sich schuldig fühlt und ihn nach einigen Eskapaden bei sich zuhause aufnimmt, wird natürlich von Dar Adal auch ausgenutzt – aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes hinaus: Peter Quinn ist natürlich trotz allem noch Peter Quinn, der erfahrene und selbst mit seinen Einschränkungen noch handlungsfähige, hochtrainierte CIA-Agent. Er kriegt heraus, was Carrie nur ahnt: Sekou war kein Attentäter, sondern nur ein Werkzeug.

Homeland: Astrid  (Nina Hoss) Bild: JoJo Whilden/SHOWTIME

Homeland: Astrid (Nina Hoss) Bild: JoJo Whilden/SHOWTIME

Peter setzt Carrie auf die richtige Spur, allerdings gerät er damit auch ins Fadenkreuz der Ermittler: Kann nicht auch ein verbitterter Veteran, dem übel mitgespielt wurde, hinter dem Attentat auf die US-Präsidentin stecken? Ironischerweise ist aber auch Peter nur ein Werkzeug in diesem bösen Ränkespiel, was Peter leider erst klar wird, als seine Freundin Astrid umgebracht wird, jene BND-Agentin, die er von früher kennt und die ihn jetzt eigentlich sanft aus dem Verkehr ziehen sollte, damit er den Keane-Gegnern nicht in die Quere kommt. Aber Quinn war ja schon immer die tragische Figur der Serie , daran ändert sich auch nichts.

Und Mrs Cry-Face Carrie? Die darf endlich einmal die richtigen Prioritäten setzen: Sich für ihre Tochter entscheiden und gegen den Job. Das wird ihr naturgemäß schwer gemacht, am Ende knickt sie aber ein, weil sie kapiert, dass Dar Adal hinter der Jugendamt-Sache steckt, mit der ihr ihre Tochter weggenommen wurde. Und weil Carrie irgendwie doch etwas gelernt hat, will sie nicht gegen Dar Adal gewinnen, sondern einfach ihr Kind wieder haben. Was am Ende sogar belohnt wird, denn Dar Adal erkennt schließlich auch, dass ihm die Sache, die er angezettelt hat, aus dem Ruder läuft und gibt Carrie den entscheidenden Tipp, der das Leben von Präsidentin Keane rettet.

Alles in allem also eine typische Homeland-Staffel, die sich auch meiner Sicht dieses Mal wirklich gelohnt hat. Und die siebte Staffel kommt – ich freu mich schon fast ein bisschen drauf.

Homeland: Brett O'Keefe (Jack Weber) Bild: SHOWTIME

Homeland: Brett O’Keefe (Jack Weber) Bild: SHOWTIME

Big Little Lies: Kleine und große Lebenslügen

Am Sonntag lief die letzte Folge von Big Little Lies, einer neuen Mini-Serie von HBO – und ab dem 6. April ist sie auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket verfügbar. Wer immer die Möglichkeit hat, sollte sich den Siebenteiler ansehen, es lohnt sich. Inhaltlich und handwerklich ist Big Little Lies absolut auf der Höhe der Zeit, was man von einer HBO-Serie durchaus erwarten kann, auch wenn sich HBO in der letzten Zeit ja auch ein paar spektakuläre Fehlgriffe wie Vinyl geleistet hat. Und auch die zweite Staffel von True Detective war nicht so richtig gut.

Auch wenn ich mich ernsthaft frage, warum diese Serie als Dark Comedy beziehungsweise als Comedy-Drama einsortiert wird. Denn lustig ist daran überhaupt nichts, obwohl ich sie wirklich gut fand. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie gut die Amerikaner darin sind, Beziehungsdramen zu schildern. Denn darum geht es vor allem: Um Beziehungen, und wie verzweifelt die Menschen versuchen, das, was sie für eine gute Beziehung halten, irgendwie hinzukriegen, auch wenn alle Evidenz dagegen spricht, dass genau diese Beziehung, an der sie so verzweifelt festhalten, gut für sie ist.

Celeste, Madeline und Jane Bild: HBO

Celeste, Madeline und Jane Bild: HBO

Und dann geht es natürlich auch um Freundschaft, Eifersucht und Konkurrenz – im Grunde sind die hier erzählten Geschichten universell, auch wenn hier in erster Linie das Leben der gut verdienende Menschen am oberen Ende der weißen Mittelschicht gezeigt wird. Im  kleinen, aber feinen Monterey, das etwa 200 Kilometer südlich des Hightech-Mekkas San Francisco an der Pazifikküste liegt, lassen sich vor allem Familien nieder, die zu Geld gekommen sind und nun ihre Kinder in großzügigen Häusern mit Meerblick aufziehen wollen. Und solche, die nicht ganz so viel Knete haben, um ihre Kinder in San Francisco auf teure Privatschulen schicken zu können – denn die öffentlichen Schulen in Monterey haben ebenfalls einen sehr guten Ruf. Kein Wunder, es gibt ja auch genug finanzstarke Eltern, die für alle möglichen Belange spenden.

Keine Frage, mit diesen meist schon älteren Alphaeltern ist nicht zu spaßen – das wird auch schon am Anfang klar, als es am ersten Schultag der neuen Erstklässler gleich zu einem handfesten Eklat kommt: Amabella, die Tochter der ebenso wohlhabenden wie erfolgreichen Unternehmerin Renata Klein (Laura Dern), wurde von einem Jungen angegriffen. Amabella will aber nicht sagen, wer es gewesen ist. Erst nach massivem guten Zureden zeigt sie zögerlich auf Ziggy. Ausgerechnet – Ziggy ist der Sohn der alleinerziehenden Mutter Jane Chapman (Shailene Woodley), einer frisch zugezogenen Außenseiterin, die weder über die Beziehungen, noch über das Geld verfügt, mit denen die anderen hier in der Community die Dinge regeln. Ein denkbar schlechter Start.

Jane (Shaylene Woodley), Madeline (Reese Witherspoon) und Celeste (Nicole Kidman) Bild: HBO

Jane (Shaylene Woodley), Madeline (Reese Witherspoon) und Celeste (Nicole Kidman) Bild: HBO

Aber Jane hat kurz zuvor die resolute Madeline (Reese Witherspoon) kennengelernt, und Madeline läuft zur Hochform auf, wenn sie für die Zukurzgekommenen und Unterdrückten kämpfen kann. Denn ehemals alternativ und politisch korrekt sind sie hier ja auch. Madeline demonstriert jetzt erst recht Solidarität. Und die kann Jane wirklich gebrauchen. Die dritte im Bunde der sich neu formierenden Freundinnenrunde ist Celeste (Nicole Kidman), die Mutter von zwei niedlichen Zwillingsjungs, mit der Madeline schon länger befreundet ist.

Madeline und Celeste leben genau wie Renata Klein mit ihren Familien in Haus gewordenen Träumen mit Seeblick – auf den ersten Blick haben sie ein perfektes Leben. Doch natürlich knirscht es unter der schönen Oberfläche, insbesondere bei Celeste, deren jüngerer eifersüchtiger Ehemann Perry (Alexander Skarsgård) immer wieder gewaltätig wird. Aber Celeste ist schon so geübt im Übelschminken der blauen Flecken, dass sie sich selbst immer wieder einredet, dass es keinen anderen als Perry für sie geben kann – schließlich hat sie für ihn ihre Karriere als Anwältin aufgegeben und er hat mit ihr so viel durchgestanden, bis sie endlich, endlich die Zwillinge bekommen hat. Denn Nicole Kidman ist ja nicht mehr die Jüngste, wie ich hier anmerken muss – und darf, denn ich bin genauso alt. Aber sie hat sich geradezu verstörend gut gehalten, auch wenn gar nicht gesagt wird, wie alt Celeste eigentlich sein soll.

Ziggy (Iain Armitage) und Jane (Shaylene Woodley) Bild: HBO

Ziggy (Iain Armitage) und Jane (Shaylene Woodley) Bild: HBO

Im Grunde wirkt sie fast jünger als Madeline, auch wenn deren Darstellerin Reese Witherspoon tatsächlich fast zehn Jahre jünger ist. Wobei die auch gut aussieht – aber eher ihrem tatsächlichen Alter entsprechend. Genau wie Renata Klein, deren Darstellerin Laura Dern nur wenige Monate älter als Nicole Kidman ist.

Das ist schon bemerkenswert: Eine Serie mit insgesamt fünf interessanten und mehrdimensionalen weiblichen Hautpfiguren, von denen drei über vierzig sind – eine echte Ausnahme in der schönen Fernsehwelt. Aber Big Little Lies zeigt, dass das Leben von Frauen durchaus spannend genug ist, um eine Serie draus zum machen. Letztlich werden so ziemlich alle Frauen zwischen dem Anspruch, eine gute Mutter zu sein, und eine gute Partnerin für jeweils vorhandene Väter ihrer Kinder, und dem Anspruch, im Leben auch noch für sich selbst etwas zu erreichen, aufgerieben. Und irgendwie scheitern sie alle daran.

Celeste (Nicole Kidman) und Perry (Alexander Skarsgård) Bild: HBO

Celeste (Nicole Kidman) und Perry (Alexander Skarsgård) Bild: HBO

Etwa Celeste: Als Vater ist Perry allerliebst, zumindest, wenn er mal zuhause ist. Denn weil Perry geschäftlich viel unterwegs ist, plagt ihn die Eifersucht ganz besonders – was macht seine Frau eigentlich den ganzen Tag? Er weiß ja, dass sie wunderschön ist, und das sie es total drauf hat – sie könnte selbst Karriere machen, vermutlich war sie in ihrem Job früher sogar besser als er jetzt in seinem ist. Und als sie hilfsweise für ihre Freundin Madeline einspringt, als sie für ihr Theaterprojekt juristischen Beistand braucht, genießt sie das. Und ist natürlich brillant. Was Perry erst recht auf die Palme bringt.

Madeline hingegen arbeitet sich noch immer daran ab, dass ihr erster Ehemann sie für eine deutlich jüngere (Zoë Kravitz als Bonnie) verlassen hat – sie ist ein bisschen eifersüchtig, dass ihr Ex Nathan (Jeffrey Nordling) sich jetzt viel mehr um seine neue Tochter kümmert, die genau wie Madelines zweite Tochter, die sie mit ihrem neuen Mann Ed (Adam Scott) hat, gerade eingeschult wird. Nathan will jetzt alles richtig machen und genau das nimmt Madeline ihm übel – obwohl sie das alles eigentlich gar nichts mehr angeht. Sie hat ja auch einen neuen Partner gefunden – und Ed ist wirklich ein ganz lieber. Er verehrt Madeline und kümmert sich um alles, auch um Madelines älter Tochter Abigail (Kathryn Newton), die inzwischen fortgeschrittener Teenager ist und, wie Madeline feststellen muss, ein ziemlich vertrautes Verhältnis zu Bonnie entwickelt, die für sie eben keine Stiefmutter, sondern eher eine ältere Freundin ist. Die für Abigails Teenager-Probleme deutlich mehr Verständnis aufbringt, als ihre perfektionistische Mutter.

Kindergeburtstag: In der Mitte Amabella (Ivy George), links Bonnie (Zoë Kravitz), daneben Renata (Laura Dern) Bild: HBO

Kindergeburtstag: In der Mitte Amabella (Ivy George), links Bonnie (Zoë Kravitz), daneben Renata (Laura Dern) Bild: HBO

Doch dafür kann Madeline selbst die ältere Freundin für Jane sein, die Madeline mit der Zeit auch ein dunkles Geheimnis anvertraut. Als die Kinder für die Schule ihren Familienstammbaum gestalten sollen, weigert sich Jane hartnäckig, den Namen von Ziggys Vater zu nennen. Und wie sich heraus stellt, weiß sie ihn auch gar nicht. Denn wer weiß schon, ob der Kerl, der erst so charmant und nett war, dass sie sich von ihm hat abschleppen lassen, wirklich so heißt, wie er behauptet hat.

Jane liebt ihre Sohn, auch wenn er nicht das Produkt von erwachsener Liebe ist, sondern die Folge einer Vergewaltigung. Aber sie befürchtet, dass er den Rest seines Lebens unter diesem Stigma leiden wird – und es sieht ja erstmal auch so aus. Auch wenn Ziggy eigentlich ein sehr freundliches und mitfühlendes Kind ist, wie Jane weiß und auch die Psychologin bestätigt, die hinzugezogen wird. Die Therapeutin vermutet eher, dass Ziggy auch ein Opfer und nicht  der Täter ist, was sich später noch bestätigen wird.

Die Frage nach Opfer und Täter zieht sich ohnehin durch die ganze Serie: Von Anfang an wird in zwischengeschnittenen Szenen darauf angespielt, dass auf einer schicken Foundrainsing-Veranstaltung für die lokale  Schule ein schreckliches Verbrechen geschehen ist – aber wer Opfer und wer Täter ist, wird nicht verraten. Dafür gibt es allerlei Klatsch und Tratsch zu hören, den die Leute bei den Befragungen durch die Polizei absondern. Damit wird klar: Monterey ist ein Schlangennest. Und jeder verdächtigt jeden, Dreck am Stecken zu haben. Und die meisten haben das wohl auch, auf die eine oder andere Weise. Was auch kein Wunder ist an einem Ort, an dem schon eine ausgebliebene Einladung zum Kindergeburtstag eine Krise im Maßstab eines NATO-Bündnisfalls auslösen kann.

Ed (Adam Scott) und Madeleine (Reese Witherspoon) Bild: HBO

Ed (Adam Scott) und Madeleine (Reese Witherspoon) Bild: HBO

Der Kriminalfall an sich ist allerdings nicht so wichtig und spielt keine große Rolle, wichtiger ist die Dynamik der Beziehungen, in denen die Protagonisten mehr oder weniger festhängen – ein wichtiges Thema ist natürlich häusliche Gewalt, die auch in Familien anzutreffen ist, in denen die materielle Existenz mehr als gesichert ist und nach außen hin geordnete Verhältnisse herrschen – Ordnung kann eben auch Terror sein. Aber Celeste will ihren goldenen Käfig gar nicht verlassen – was sind schon ein paar blaue Flecke, wenn ansonsten alles ganz prima aussieht?

Aber je verzweifelter sie darum kämpft, den schönen Schein zu waren, desto brutaler werden ihre Auseinandersetzungen mit Perry, der schließlich einwilligt, gemeinsam mit ihr zur Therapie zu gehen, weil er selbst natürlich auch merkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Was die Therapeutin natürlich auch bemerkt, vor allem aber, wie sehr Celeste damit ringt, ihr gegenüber – und damit erstmal auch sich selbst – einzugestehen, wie schlimm es wirklich um ihre Beziehung und ihr Verhältnis zu Perry steht. Auch hier bleibt sie in ihrer selbst gewählten Rolle als loyale Ehefrau gefangen: Celeste entschuldigt Perry und gibt sich selbst die Schuld, erst die behutsamen, aber bestimmten Nachfragen der erfahrenden Psychologin machen ihr nach und nach klar, dass von Perry eine Gefahr ausgeht, vor der sie sich selbst und die Kinder schützen muss. Diese Szenen sind die beklemmensten und besten Momente der Serie.

Celeste (Nicole Kidman) in ihrem Element Bild: HBO

Celeste (Nicole Kidman) in ihrem Element Bild: HBO

Schlimm steht es auch um Jane, die sich im Gegensatz zu den anderen allein durchschlagen muss – auch wenn sie sich mit ihrem Leben als alleinstehende Mutter arrangiert hat und gut für ihren Sohn Ziggy sorgt. Sie schreckt immer wieder aus Albträumen von jenem Unbekannten auf, der sie erst brutal benutzt und dann allein gelassen hat. Jane hat sich eine Waffe besorgt und geht immer wieder zum Schießtraining – sie fühlt sich dann mächtiger, erklärt sie ihren entsetzten neuen Freundinnen, die Waffengewalt selbstverständlich ablehnen. Jane träumt davon, sich irgendwann an jenem Mann zu rächen.

Das wiederum verstehen Madeline und Celeste sehr gut, Madeline fängt sogar an, nach ihm zu suchen und meint irgendwann, ihn gefunden zu haben. Was, wie man sich denken kann, nicht die beste Idee war. Schon weil sich noch herausstellen wird, dass alles ganz anders war. Genau wie die Sache mit dem Mobbing in der Schule ganz anders war. Der Twist ist am Ende dann wieder naheliegend und erklärt letztlich auch das Verbrechen – aber zum Glück lebt Big Little Lies eben nicht von überraschenden Twists und der nervenzehrenden Spannung, wer denn nun der Mörder war, sondern von der schonungslosen Aufdeckung der ganzen Lebenslügen, an denen alle, die noch immer glauben wollen, dass ein wohl geordnetes Familienleben der Schlüssel zum Lebensglück wäre, scheitern müssen. Und genau das gefällt mir daran.

This Is Us: Familienserie neu gedacht

Das, was gemeinhin unter „Familienserie“ rubriziert wird, findet meistens im Comedybereich statt, was für mich oft schon Grund genug ist, um gar nicht erst einzuschalten. Und im Bereich Drama ist die letzte wirklich gute Familienserie, an die ich mich erinnern kann, Six Feet Under gewesen, und die lief 2001 bis 2005. Okay, eigentlich sind genau besehen auch Breaking Bad, Homeland oder House of Cards irgendwie Familienserien, in denen es auch um Verbrechen, Terror und Politik geht und das gilt auch für Vikings oder Downton Abbey, nur hier halt mit historischem Hintergrund. Oder The Good Wife mit juristischem.

Insofern war einerseits überfällig, andererseits aber nicht unbedingt zu erwarten, dass eine klassische Familien-Serie noch einen Quotenhit landen kann. Doch genau das ist NBC mit This Is Us gerade gelungen. Und obwohl ich ehrlich gesagt nicht davon ausgegangen bin, dass sie mir gefallen würde – es gibt eine ganze Reihe angesagter Serien, mit denen ich einfach nicht warm werde – bin ich auf Anhieb gern in die Geschichte der Familie Pearson eingetaucht, weil sie lebensnah ist und schön erzählt wird.

This Is Us Bild: nbc.com

This Is Us Bild: nbc.com

Die Pearsons sind nämlich eine im Vergleich zu den Fishers aus Six Feet Under eine unspektakuläre Familie aus Pittsburg, sie haben kein Bestattungsunternehmen, niemandem erscheint ein toter Vater und auch vom Gender- und Queerstandpunkt aus ist sie völlig unauffällig. Familienvater Jack (Milo Ventimiglia) ist ein hart arbeitender Handwerker – wenn auch in leitender Funktion, und Rebecca (Mandy Moore) hat ihre Ambitionen (sie war, wie sich im Laufe der Handlung herausstellt, eine ziemlich gute Sängerin) für ihre drei Kinder zurückgestellt. Jack und Rebecca sind sich darin einig, dass sie ihren Kindern ein liebevolles Zuhause und einen guten Start ins eigene Leben bieten wollen – und sie lieben sich wirklich. Natürlich ist der Alltag nicht immer leicht zu bewältigen, aber Rebecca und Jack sind erstaunlich vernünftige Menschen, die versuchen, aus jeder Situation das Beste zu machen, auch wenn sie natürlich nicht immer alles richtig machen können.

Und, das ist schon besonders an den Pearson-Kindern, sie kamen im Jahr 1980 am gleichen Tag auf die Welt, der auch noch der Geburtstag ihres Vaters ist. Kevin und Kate sind die beiden Überlebenden einer Drillingsgeburt, bei der das dritte Kind verstarb. Der kleine Randall hingegen wurde von seinem Junkie-Vater vor einer Feuerwache abgelegt und ein mitleidiger Feuerwehrmann brachte den Säugling in eben jener Klinik, in der die jungen Pearson-Eltern gerade damit umgehen müssen, dass eins ihrer drei erwarteten Kinder tot zur Welt kam.

Rebecca (Mandy Moore) und Jack (Milo Ventimiglia) und ihre Drillinge Kate, Kevin und Randall. Bild: nbc.com

Rebecca (Mandy Moore) und Jack (Milo Ventimiglia) und ihre Drillinge Kate, Kevin und Randall. Bild: nbc.com

Jack und Rebecca beschließen, das fremde Baby zu adoptieren. Dadurch sind, so gut sie es meinen, gewisse Komplikationen vorprogrammiert, denn der kleine Randall ist afroamerikanischer Herkunft, während die vier anderen Pearsons weiß sind.

Die Handlung setzt am 36. Geburtstag der Geschwister ein, die inzwischen sehr unterschiedliche Leben führen: Der gut gebaute Kevin (Justin Hartley) lebt in Los Angeles und ist Hauptdarsteller in der albernen, aber erfolgreichen Familien-Sitcom „Der Manny“, in der es um eine männliche Nanny geht. Zwar kann er von der Rolle und seiner damit verbundenen Bekanntheit gut leben, aber er hat einfach keine Lust mehr auf diesen blöden Job. Seine Schwester Kate (Chrissy Metz) hingegen kämpft in einer Selbsthilfegruppe gegen ihr gewaltiges Übergewicht. Sie ist ihrem Bruder, zum dem sie eine enge Beziehung hat, offenbar nach LA gefolgt, wo sie mit verschiedenen Assistenzjobs beruflich recht erfolgreich ist.

This Is Us: William (Ron Cephas Jones) und Randall (Sterling K. Brown) Bild: nbc.com

This Is Us: William (Ron Cephas Jones) und Randall (Sterling K. Brown) Bild: nbc.com

Der dritte im Bunde, Randall (Sterling K. Brown), der immer gut mit Zahlen war, lebt in New York und ist  sowohl ein erfolgreicher Manager, als auch ein liebender Familienvater, der seiner Frau und den beiden süßen Töchtern ein weitgehend sorgenfreies Leben ermöglicht. Aber natürlich ist das nur die glänzende Fassade, denn Randall wird zwischen seinem Ehrgeiz, im Job Karriere zu machen und gleichzeitig für Frau und Kinder da zu sein, völlig aufgerieben. Er hatte von klein auf den Anspruch an sich, perfekt zu sein und die anderen nie zu enttäuschen. Was vermutlich daran liegt, dass ihm durchaus bewusst ist, was er mit seinen Adoptiveltern für ein Glück hatte. Und trotzdem hat er auch noch dieses andere Projekt, nämlich endlich seinen leiblichen Vater zu finden. Die Frage, woher er wirklich kommt, hat Randall seine ganze Kindheit umgetrieben und bis heute nie losgelassen.

Randall macht William (Ron Cephas Jones) tatsächlich ausfindig und findet einen einsamen und kranken alten Mann vor. Der Sohn sagt seinem Vater die Meinung – genau wie er sich das immer wieder vorgenommen hat. Und der findet, dass sein von ihm aufgegebener Sohn absolut das Recht dazu hat. Offenbar hat auch er sein ganzes Leben auf diesen Tag gewartet – nach der Standpauke bittet er seinen Sohn auf einen Kaffee in seine bescheidene Wohnung und erklärt ihm, wie es um ihn steht. In der Erkenntnis, dass ihm und seinem Vater nicht mehr viel Zeit bleibt, holt der perfekte Randall seinen Vater nach Hause – was für erhebliche Irritationen bei seiner Frau Beth (Susan Kelechi Watson) führt. Beth kennt ihren gutherzigen Ehemann nämlich sehr gut und befürchtet, dass William ihn ausnutzen wird.

This Is Us: Kate (Chrissy Metz) Bild: nbc.com

This Is Us: Kate (Chrissy Metz) Bild: nbc.com

Und das ist nur der Anfang – über die weiteren Folgen der ersten Staffel (15 habe ich gesehen, insgesamt soll es 18 geben) wird sowohl die Geschichte der drei Geschwister, als auch die ihrer jeweiligen Eltern und wichtiger Bezugspersonen erzählt und dann gibt es natürlich noch all das, was jeweiligen Erwachsenenleben der drei Protagonisten passiert – etwa was Jack mit seinem Arbeitskollegen und Freund Miguel (Jon Huertas) erlebt oder die Geschichte von Kate und Toby.

Kate, die in ihrer Diätgruppe endlich jemanden gefunden hat, der sie tatsächlich so liebt, wie sie ist, könnte nun doch einfach mal glücklich sein. Aber sie hat sich so lange Zeit in den Kopf gesetzt, dass sie viel glücklicher sein könnte, wenn sie nur nicht so fett wäre, weshalb sie weiterhin abnehmen will und damit möglicherweise sogar die Liebe ihres Lebens gefährdet. Denn der lebenslustige Toby hat auf diesen ganzen Diätwahn keine Lust mehr. Inzwischen ist Kate so verzweifelt, dass sie über eine Magenverkleinerung nachdenkt, obwohl das ein ebenso radikaler wie gefährlicher Schritt ist.

This Is Us: Kevin

This Is Us: Kevin „The Manny“ (Justin Hartley) inmitten seiner Fans. Bild: nbc.com

Erstaunlich eigentlich, dass angesichts der Tatsache, dass Übergewicht und Fettsucht bei der heutigen Lebensweise der westlichen Gesellschaften ein eben so alltägliches wie gigantisches Problem darstellen, in der schönen Fernseh-Parallelwelt kaum übergewichtige Menschen vorkommen. Spontan fällt mir eigentlich nur die atemberaubend kurvige Joan Holloway (dargestellt von der nicht weniger atemberaubenden Christina Hendricks) aus Mad Men ein, die im Laufe der Staffeln zumindest zeitweise ziemlich aus der Form gerät. Wobei Joan Holloway vermutlich Kates Traumziel nach einer erfolgreichen Diät wäre. „Ich haben meinen Lebenstraum einfach aufgefressen!“ konstatiert sie, nachdem sie an ihrem Geburtstag von der Waage gefallen ist, weil sie solche Angst davor hatte, dass sie noch mehr Kilos anzeigen würde. Und Kate ist für normalgewichtige Menschen auch wirklich verstörend fett – aber angesichts der unglaublichen Darstellerin Chrissy Metz vergisst man das schnell: So verletzlich Kate auf der einen Seite ist, so souverän ist sie auf der anderen: Sie ist intelligent, witzig und vor allem lässt sie sich nicht alles bieten, sondern zeigt immer wieder, was sie drauf hat. Und das ist in jeder Beziehung eine ganze Menge.

Kevin hingegen schmeißt seinen Der-Manny-Job tatsächlich hin und geht nach New York, um wieder Theater zu spielen. Er bandelt dort mit der britischen Hauptdarstellerin eines neuen Stücks an, für das er die männliche Hauptrolle ergattern konnte. Die kühle Britin Olivia wird von Kate später treffend als She-Devil charakterisiert und verschwindet nach einem Eklat auf einem Ausflug der drei Geschwister zu der Hütte im Wald, die Rebecca inzwischen verkaufen will, weil sie niemand mehr nutzt. Es gab wohl einen Brexit, heißt es am nächsten Morgen, als Kevin Olivia und ihre Künstlerfreunde vermisst. Zurückgeblieben ist die Autorin des neuen Stücks, Sloane, mit der sich Kevin schnell tröstet.

This Is Us: Rebecca (Mandy Moore) und Jack (Milo Ventimiglia) Bild: nbc.com

This Is Us: Rebecca (Mandy Moore) und Jack (Milo Ventimiglia) Bild: nbc.com

Und natürlich stellt sich nach und nach vieles als ganz anders heraus, als es anfangs eigentlich schien – auch die scheinbar selbstlosesten und perfektesten Menschen machen fatale Fehler, dafür machen auch selbstbezogene Egoisten wie Kevin ab und zu etwas richtig. Was dann aber auch nicht unbedingt so ankommt, wie man es erwarten würde. Genau dieses Spiel mit den Erwartungen beherrschen die Macher von This Is Us ganz hervorragend, weshalb sie immer wieder überraschen können, ohne auf die überzogenen Knalleffekte zurückzugreifen, mit denen die üblichen Familiensoaps ihr Publikum bei der Stange halten müssen. Natürlich gibt es auch hier dramatische Zuspitzungen und überraschende Wendungen, es wird mitunter auch gehörig auf die Tränendrüse gedrückt, aber es fühlt sich nie konstruiert und erzwungen, sondern naheliegend und natürlich an.

Insofern kein Wunder, dass This Is Us ein Millionenpublikum erreicht. Die Leute mögen eben auch gute Serien, wenn sie denn welche bekommen. Und This Is Us bedient ja auch eine denkbar große Zielgruppe – alle Drama-Serienfans nämlich, denen die ganzen Ableger bekannter Krimi-, Forensik-, Anwalt- oder Superheldenserien längst aus den Ohren rauskommen und zur Abwechslung mal wieder normale Leute im Fernsehen sehen wollen, ohne sich dafür auf Lindenstraßen-Niveau begeben zu müssen.

This Is Us - Season 1

THIS IS US — „The Pool“ Episode 104 — Pictured: (l-r) Sterling K Brown as Randall, Eris Baker as Tess, Ron Cephas Jones as William, Faithe Herman as Annie, Susan Kelechi Watson as Beth — (Photo by: Vivian Zink/NBC)

This Is Us ist eine feinfühlige Serie über Beziehungen, Familie und das Leben an sich – da braucht es keine ausgeklügelten Komplotte, haarsträubende Verschwörungen oder fast perfekte Verbrechen. Der Alltag ist Drama genug: Menschen werden geboren, wachsen auf, versuchen, ihren Weg zu finden, haben Erfolg oder auch nicht, verlieben sich, verzetteln sich, werden ihren Ansprüchen an sich selbst nicht gerecht, erleiden Schicksalsschläge und resignieren – oder machen erst recht weiter. Und dann gibt es noch den ewigen Spielverderber Tod. Der spielt hier zwar keine so große Rolle wie in Six Feet Under, ist aber trotzdem von Anfang an gegenwärtig. Und es gibt, genau wie für die Liebe, keine universale Anleitung oder Bewältigungsstrategie. Wir müssen halt irgendwie damit klar kommen. This Is Us zeigt Menschen, die irgendwie klar kommen – oder eben auch nicht. In gewisser Weise ist This Is Us eine Serie über das Scheitern – und wie man damit weiterleben kann. Ganz ohne sozialpädagogischen Impetus.

Leider gibt es noch kein Ausstrahlungsdatum für Deutschland – aber es lohnt sich auf jeden Fall, sich diese Serie vorzumerken. NBC hat auch schon eine zweite und sogar eine dritte Staffel bestellt – die Pearsons werden uns also noch eine Weile erhalten bleiben.

Ein toter Fisch im Darkroom

Nachdem ich mich von meinem Nervenzusammenbruch erholt habe, weil es in dieser Woche nur den ersten Teil der letzten Doppelfolge gegeben hat und ich noch eine weitere Woche auf das große Finale der zweiten Staffel von Mr. Robot warten muss, bin ich jetzt langsam in der Lage, eine Review zu eps2.9_pyth0n-pt1.p7z zu schreiben.

Es wird immer spannender – auch wenn dieser Teil fast ausschließlich aus Dialog bestand, und zu weiten Teilen aus ziemlich absurden Dialogen. So muss Angela in einem Dark Room, der mit einem auslaufenden Aquarium und einem C64 samt historischem Zubehör ausgerüstet ist, eigenartige Fragen beantworten, die ein kleines Mädchen stellt, das eine exakte Kopie ihres jüngeren Selbst sein könnte. Agent DiPierro hat ein deprimierendes Gespräch mit ihrer virtuellen Assistentin Alexa, das nahelegt, dass sie wirklich sehr, sehr einsam ist und Elliot redet nicht nur mit sich selbst und mit seinem unsichtbaren Freund, sondern auch mit einem Taxifahrer, der nur Arabisch spricht und einfach nicht kapiert, was Elliot von ihm will.

Screenshot Mr. Robot: Elliot Alderson (Rami Malek)

Screenshot Mr. Robot: Elliot Alderson (Rami Malek)

Aber okay, die komplette zweite Staffel war ja bisher vor allem deshalb interessant, weil jede Folge so anders und eigen war – was man ja auch von anderen guten Serien kennt, nur ist hier oft die Erklärung, dass die Autoren und die Regisseure auch von Folge zu Folge wechseln. Das Neue an Mr. Robot ist nun aber, dass es einen Autor gibt, der alle Folgen im Kopf hat – auch wenn es dieses Mal durchaus Episoden gibt, die nicht Sam Esmail geschrieben hat – und dass Sam Esmail auch in sämtlichen Teilen die Regie übernommen hat.

Sein Erzählweise und sein Blick sind schon sehr speziell, was ich meistens mag – er hält sich in der Regel an die unterkühlte skandinavische Farbpalette im Anthrazit- bzw. Grau-Blau-Bereich, und wählt sehr spezielle Perspektiven. Für meinen Geschmack gibt es aber zu viele gewollte Unschärfen – das ist für Screenshots und Gifs immer blöd, genau wie diese Gegenschnitte, bei denen die Protagonisten immer ganz außen oder innen am jeweils konträren Bildrand zu sehen sind – das ist natürlich wahnsinnig aussagekräftig, wenn man die Serie auf dem großen Bildschirm kuckt, aber halt schlecht für tumblr und Co.

Screenshot Mr. Robot: Dominique DiPierro (Grace Gummer)

Screenshot Mr. Robot: Dominique DiPierro (Grace Gummer)

Über die gesamte Staffel war der Zweikampf zwischen Elliot und Mr. Robot wichtig – meiner Ansicht nach zu wichtig – und auch wenn Elliot sich nun mit der Existenz von Mr. Robot als alternativem Ich abgefunden hat, so ist ihm noch immer nicht klar, was das eigentlich für ihn bedeutet. Ehrlich gesagt, hatte ich ja gehofft, dass es an dieser Front nun etwas ruhiger und übersichtlicher würde, aber das ist leider nicht der Fall – stattdessen kommt Elliot auf die Idee, dass er jetzt einfach mal der stille Beobachter sein möchte, der sich anschaut, was Mr. Robot so macht, wenn er glaubt, dass er allein ist. Und Elliot schafft es auch, sich in einen solchen Zustand zu versetzen – Mr Robot übernimmt und Elliot darf einfach zuschauen. Und am Ende klappt genau das, was Elliot sich davon erhofft hatte – Mr. Robot führt ihn nach einiger Knobelei – hier taucht auch wieder eine rote Schubkarre auf, wenn auch nur als Name eines Restaurants, dessen Karte als Grundlage für allerlei Zahlenspiele dient – tatsächlich zu Tyrell Wellick. Aber natürlich ist nicht klar, ob das alles jetzt in Elliots Kopf stattfindet, oder ob Tyrell real ist, denn Elliot weiß ja, dass weder sich selbst, noch Mr. Robot trauen kann. Das geht mir inzwischen doch ziemlich auf die Nerven.

Screenshot Mr. Robot: Was geht hier vor?

Screenshot Mr. Robot: Was geht hier vor?

Aber es passieren ja auch andere Dinge – so hat Agent DiPierro einen weiteren frustrierenden Dialog mit ihrem Chef, der will, dass sie, nachdem sie einmal mehr in eine Schießerei mit Dark-Army-Beteiligung geraten ist, endlich mal Ruhe gibt und nach Hause geht. Aber natürlich will Dom jetzt erst recht dran bleiben: Sie weiß, dass sie auf der richtige Spur ist, der jüngste Vorfall ist ja die Bestätigung dafür – und sie betont, dass es möglicherweise kein Terrorangriff von fehlgeleiteten Radikalen mehr ist, sondern ein kriegerischer Akt gegen die USA: Die chinesische Regierung könnte beteiligt sein. Der Umstand, dass mehrere Zivilisten dabei umgekommen sind, spricht dafür, dass Cisco tot ist – möglicherweise auch Darlene. Dom jedenfalls ist einmal mehr davon gekommen. Und es scheint, als frage sie sich selbst, warum.

Screenshot Mr. Robot: Angela Moss (Portia Doubleday)

Screenshot Mr. Robot: Angela Moss (Portia Doubleday)

Interessant ist auch, dass die rätselhafte Partnerschaft zwischen Philip Price und Whiterose offenbar in eine Krise geraten ist – Whiterose widmet Angela immerhin 28 Minuten ihrer kostbaren Zeit, um herauszufinden, was so speziell an ihr sei, dass Philip Price sich von ihr offenbar dazu ermuntert fühle, auf seinen wie auch immer gearteten Deal mit Whiterose zu pfeifen und mit ihrer Hilfe sein eigenes Ding durchzuziehen: Er will E-Coin als offizielle Währung durchsetzen, wogegen sich die Fed sträubt – schließlich sei es die Aufgabe der US-Zentralbank, über die Währung zu wachen. Die E-Coin-Strategie von Price passt aber auch Whiterose nicht in den Kram. Sie versucht Angela davon zu überzeugen, dass der Tod ihrer Mutter und von Elliots Vater einer wichtigen Sache gedient hätte, um sie von ihren Racheplänen abzubringen. „Was hat Elliot mit all dem zu tun?“ fragt Angela, die keine Ahnung hat, wer oder was Whiterose eigentlich ist.

Screenshot Mr. Robot: Whiterose (BD Wong)

Screenshot Mr. Robot: Whiterose (BD Wong)

Und wer weiß, vielleicht war sie erfolgreich, zumindest sucht Angela ihre Anwältin Antara Nayar am Abend zuhause auf, um ihr zu sagen, dass sie den Kontakt nun für immer abbrechen wird. Aber die abgebrühte Nayar vermutet gleich, dass Angela bedroht wird – auch wenn Angela das erstaunlich ruhig und entschieden verneint. Aber bisher war so vieles anders als es zunächst schien, dass ich hier ein weiteres großes Fragezeichen sehe. Vermutlich wird in der letzten Folge vieles nicht aufgelöst, so dass wir auf die dritte Staffel warten müssen.

Und dann vermutlich auf eine vierte und gar fünfte, sofern es kein Quotendesaster geben sollte. Bei der zweiten Staffel gab es schon leichte Verluste bei den Zuschauerzahlen in den USA, was mich aber nicht wundert – diese Staffel ist düsterer und anstrengender als die erste, und es fehlt auch Elliots erfrischender Zynismus, der ja leider schon im Laufe der ersten Staffel auf der Strecke geblieben ist, weil Elliot zunehmend mit seiner kranken Psyche zu kämpfen hatte. Aber ein paar Antworten erwarte ich in der kommenden Woche doch.

Screenshot Mr. Robot: Er ist wieder da - Elliot und Tyrell Wellick (Martin Wallström)

Screenshot Mr. Robot: Er ist wieder da – Elliot und Tyrell Wellick (Martin Wallström)