Big Little Lies: Kleine und große Lebenslügen

Am Sonntag lief die letzte Folge von Big Little Lies, einer neuen Mini-Serie von HBO – und ab dem 6. April ist sie auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket verfügbar. Wer immer die Möglichkeit hat, sollte sich den Siebenteiler ansehen, es lohnt sich. Inhaltlich und handwerklich ist Big Little Lies absolut auf der Höhe der Zeit, was man von einer HBO-Serie durchaus erwarten kann, auch wenn sich HBO in der letzten Zeit ja auch ein paar spektakuläre Fehlgriffe wie Vinyl geleistet hat. Und auch die zweite Staffel von True Detective war nicht so richtig gut.

Auch wenn ich mich ernsthaft frage, warum diese Serie als Dark Comedy beziehungsweise als Comedy-Drama einsortiert wird. Denn lustig ist daran überhaupt nichts, obwohl ich sie wirklich gut fand. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie gut die Amerikaner darin sind, Beziehungsdramen zu schildern. Denn darum geht es vor allem: Um Beziehungen, und wie verzweifelt die Menschen versuchen, das, was sie für eine gute Beziehung halten, irgendwie hinzukriegen, auch wenn alle Evidenz dagegen spricht, dass genau diese Beziehung, an der sie so verzweifelt festhalten, gut für sie ist.

Celeste, Madeline und Jane Bild: HBO

Celeste, Madeline und Jane Bild: HBO

Und dann geht es natürlich auch um Freundschaft, Eifersucht und Konkurrenz – im Grunde sind die hier erzählten Geschichten universell, auch wenn hier in erster Linie das Leben der gut verdienende Menschen am oberen Ende der weißen Mittelschicht gezeigt wird. Im  kleinen, aber feinen Monterey, das etwa 200 Kilometer südlich des Hightech-Mekkas San Francisco an der Pazifikküste liegt, lassen sich vor allem Familien nieder, die zu Geld gekommen sind und nun ihre Kinder in großzügigen Häusern mit Meerblick aufziehen wollen. Und solche, die nicht ganz so viel Knete haben, um ihre Kinder in San Francisco auf teure Privatschulen schicken zu können – denn die öffentlichen Schulen in Monterey haben ebenfalls einen sehr guten Ruf. Kein Wunder, es gibt ja auch genug finanzstarke Eltern, die für alle möglichen Belange spenden.

Keine Frage, mit diesen meist schon älteren Alphaeltern ist nicht zu spaßen – das wird auch schon am Anfang klar, als es am ersten Schultag der neuen Erstklässler gleich zu einem handfesten Eklat kommt: Amabella, die Tochter der ebenso wohlhabenden wie erfolgreichen Unternehmerin Renata Klein (Laura Dern), wurde von einem Jungen angegriffen. Amabella will aber nicht sagen, wer es gewesen ist. Erst nach massivem guten Zureden zeigt sie zögerlich auf Ziggy. Ausgerechnet – Ziggy ist der Sohn der alleinerziehenden Mutter Jane Chapman (Shailene Woodley), einer frisch zugezogenen Außenseiterin, die weder über die Beziehungen, noch über das Geld verfügt, mit denen die anderen hier in der Community die Dinge regeln. Ein denkbar schlechter Start.

Jane (Shaylene Woodley), Madeline (Reese Witherspoon) und Celeste (Nicole Kidman) Bild: HBO

Jane (Shaylene Woodley), Madeline (Reese Witherspoon) und Celeste (Nicole Kidman) Bild: HBO

Aber Jane hat kurz zuvor die resolute Madeline (Reese Witherspoon) kennengelernt, und Madeline läuft zur Hochform auf, wenn sie für die Zukurzgekommenen und Unterdrückten kämpfen kann. Denn ehemals alternativ und politisch korrekt sind sie hier ja auch. Madeline demonstriert jetzt erst recht Solidarität. Und die kann Jane wirklich gebrauchen. Die dritte im Bunde der sich neu formierenden Freundinnenrunde ist Celeste (Nicole Kidman), die Mutter von zwei niedlichen Zwillingsjungs, mit der Madeline schon länger befreundet ist.

Madeline und Celeste leben genau wie Renata Klein mit ihren Familien in Haus gewordenen Träumen mit Seeblick – auf den ersten Blick haben sie ein perfektes Leben. Doch natürlich knirscht es unter der schönen Oberfläche, insbesondere bei Celeste, deren jüngerer eifersüchtiger Ehemann Perry (Alexander Skarsgård) immer wieder gewaltätig wird. Aber Celeste ist schon so geübt im Übelschminken der blauen Flecken, dass sie sich selbst immer wieder einredet, dass es keinen anderen als Perry für sie geben kann – schließlich hat sie für ihn ihre Karriere als Anwältin aufgegeben und er hat mit ihr so viel durchgestanden, bis sie endlich, endlich die Zwillinge bekommen hat. Denn Nicole Kidman ist ja nicht mehr die Jüngste, wie ich hier anmerken muss – und darf, denn ich bin genauso alt. Aber sie hat sich geradezu verstörend gut gehalten, auch wenn gar nicht gesagt wird, wie alt Celeste eigentlich sein soll.

Ziggy (Iain Armitage) und Jane (Shaylene Woodley) Bild: HBO

Ziggy (Iain Armitage) und Jane (Shaylene Woodley) Bild: HBO

Im Grunde wirkt sie fast jünger als Madeline, auch wenn deren Darstellerin Reese Witherspoon tatsächlich fast zehn Jahre jünger ist. Wobei die auch gut aussieht – aber eher ihrem tatsächlichen Alter entsprechend. Genau wie Renata Klein, deren Darstellerin Laura Dern nur wenige Monate älter als Nicole Kidman ist.

Das ist schon bemerkenswert: Eine Serie mit insgesamt fünf interessanten und mehrdimensionalen weiblichen Hautpfiguren, von denen drei über vierzig sind – eine echte Ausnahme in der schönen Fernsehwelt. Aber Big Little Lies zeigt, dass das Leben von Frauen durchaus spannend genug ist, um eine Serie draus zum machen. Letztlich werden so ziemlich alle Frauen zwischen dem Anspruch, eine gute Mutter zu sein, und eine gute Partnerin für jeweils vorhandene Väter ihrer Kinder, und dem Anspruch, im Leben auch noch für sich selbst etwas zu erreichen, aufgerieben. Und irgendwie scheitern sie alle daran.

Celeste (Nicole Kidman) und Perry (Alexander Skarsgård) Bild: HBO

Celeste (Nicole Kidman) und Perry (Alexander Skarsgård) Bild: HBO

Etwa Celeste: Als Vater ist Perry allerliebst, zumindest, wenn er mal zuhause ist. Denn weil Perry geschäftlich viel unterwegs ist, plagt ihn die Eifersucht ganz besonders – was macht seine Frau eigentlich den ganzen Tag? Er weiß ja, dass sie wunderschön ist, und das sie es total drauf hat – sie könnte selbst Karriere machen, vermutlich war sie in ihrem Job früher sogar besser als er jetzt in seinem ist. Und als sie hilfsweise für ihre Freundin Madeline einspringt, als sie für ihr Theaterprojekt juristischen Beistand braucht, genießt sie das. Und ist natürlich brillant. Was Perry erst recht auf die Palme bringt.

Madeline hingegen arbeitet sich noch immer daran ab, dass ihr erster Ehemann sie für eine deutlich jüngere (Zoë Kravitz als Bonnie) verlassen hat – sie ist ein bisschen eifersüchtig, dass ihr Ex Nathan (Jeffrey Nordling) sich jetzt viel mehr um seine neue Tochter kümmert, die genau wie Madelines zweite Tochter, die sie mit ihrem neuen Mann Ed (Adam Scott) hat, gerade eingeschult wird. Nathan will jetzt alles richtig machen und genau das nimmt Madeline ihm übel – obwohl sie das alles eigentlich gar nichts mehr angeht. Sie hat ja auch einen neuen Partner gefunden – und Ed ist wirklich ein ganz lieber. Er verehrt Madeline und kümmert sich um alles, auch um Madelines älter Tochter Abigail (Kathryn Newton), die inzwischen fortgeschrittener Teenager ist und, wie Madeline feststellen muss, ein ziemlich vertrautes Verhältnis zu Bonnie entwickelt, die für sie eben keine Stiefmutter, sondern eher eine ältere Freundin ist. Die für Abigails Teenager-Probleme deutlich mehr Verständnis aufbringt, als ihre perfektionistische Mutter.

Kindergeburtstag: In der Mitte Amabella (Ivy George), links Bonnie (Zoë Kravitz), daneben Renata (Laura Dern) Bild: HBO

Kindergeburtstag: In der Mitte Amabella (Ivy George), links Bonnie (Zoë Kravitz), daneben Renata (Laura Dern) Bild: HBO

Doch dafür kann Madeline selbst die ältere Freundin für Jane sein, die Madeline mit der Zeit auch ein dunkles Geheimnis anvertraut. Als die Kinder für die Schule ihren Familienstammbaum gestalten sollen, weigert sich Jane hartnäckig, den Namen von Ziggys Vater zu nennen. Und wie sich heraus stellt, weiß sie ihn auch gar nicht. Denn wer weiß schon, ob der Kerl, der erst so charmant und nett war, dass sie sich von ihm hat abschleppen lassen, wirklich so heißt, wie er behauptet hat.

Jane liebt ihre Sohn, auch wenn er nicht das Produkt von erwachsener Liebe ist, sondern die Folge einer Vergewaltigung. Aber sie befürchtet, dass er den Rest seines Lebens unter diesem Stigma leiden wird – und es sieht ja erstmal auch so aus. Auch wenn Ziggy eigentlich ein sehr freundliches und mitfühlendes Kind ist, wie Jane weiß und auch die Psychologin bestätigt, die hinzugezogen wird. Die Therapeutin vermutet eher, dass Ziggy auch ein Opfer und nicht  der Täter ist, was sich später noch bestätigen wird.

Die Frage nach Opfer und Täter zieht sich ohnehin durch die ganze Serie: Von Anfang an wird in zwischengeschnittenen Szenen darauf angespielt, dass auf einer schicken Foundrainsing-Veranstaltung für die lokale  Schule ein schreckliches Verbrechen geschehen ist – aber wer Opfer und wer Täter ist, wird nicht verraten. Dafür gibt es allerlei Klatsch und Tratsch zu hören, den die Leute bei den Befragungen durch die Polizei absondern. Damit wird klar: Monterey ist ein Schlangennest. Und jeder verdächtigt jeden, Dreck am Stecken zu haben. Und die meisten haben das wohl auch, auf die eine oder andere Weise. Was auch kein Wunder ist an einem Ort, an dem schon eine ausgebliebene Einladung zum Kindergeburtstag eine Krise im Maßstab eines NATO-Bündnisfalls auslösen kann.

Ed (Adam Scott) und Madeleine (Reese Witherspoon) Bild: HBO

Ed (Adam Scott) und Madeleine (Reese Witherspoon) Bild: HBO

Der Kriminalfall an sich ist allerdings nicht so wichtig und spielt keine große Rolle, wichtiger ist die Dynamik der Beziehungen, in denen die Protagonisten mehr oder weniger festhängen – ein wichtiges Thema ist natürlich häusliche Gewalt, die auch in Familien anzutreffen ist, in denen die materielle Existenz mehr als gesichert ist und nach außen hin geordnete Verhältnisse herrschen – Ordnung kann eben auch Terror sein. Aber Celeste will ihren goldenen Käfig gar nicht verlassen – was sind schon ein paar blaue Flecke, wenn ansonsten alles ganz prima aussieht?

Aber je verzweifelter sie darum kämpft, den schönen Schein zu waren, desto brutaler werden ihre Auseinandersetzungen mit Perry, der schließlich einwilligt, gemeinsam mit ihr zur Therapie zu gehen, weil er selbst natürlich auch merkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Was die Therapeutin natürlich auch bemerkt, vor allem aber, wie sehr Celeste damit ringt, ihr gegenüber – und damit erstmal auch sich selbst – einzugestehen, wie schlimm es wirklich um ihre Beziehung und ihr Verhältnis zu Perry steht. Auch hier bleibt sie in ihrer selbst gewählten Rolle als loyale Ehefrau gefangen: Celeste entschuldigt Perry und gibt sich selbst die Schuld, erst die behutsamen, aber bestimmten Nachfragen der erfahrenden Psychologin machen ihr nach und nach klar, dass von Perry eine Gefahr ausgeht, vor der sie sich selbst und die Kinder schützen muss. Diese Szenen sind die beklemmensten und besten Momente der Serie.

Celeste (Nicole Kidman) in ihrem Element Bild: HBO

Celeste (Nicole Kidman) in ihrem Element Bild: HBO

Schlimm steht es auch um Jane, die sich im Gegensatz zu den anderen allein durchschlagen muss – auch wenn sie sich mit ihrem Leben als alleinstehende Mutter arrangiert hat und gut für ihren Sohn Ziggy sorgt. Sie schreckt immer wieder aus Albträumen von jenem Unbekannten auf, der sie erst brutal benutzt und dann allein gelassen hat. Jane hat sich eine Waffe besorgt und geht immer wieder zum Schießtraining – sie fühlt sich dann mächtiger, erklärt sie ihren entsetzten neuen Freundinnen, die Waffengewalt selbstverständlich ablehnen. Jane träumt davon, sich irgendwann an jenem Mann zu rächen.

Das wiederum verstehen Madeline und Celeste sehr gut, Madeline fängt sogar an, nach ihm zu suchen und meint irgendwann, ihn gefunden zu haben. Was, wie man sich denken kann, nicht die beste Idee war. Schon weil sich noch herausstellen wird, dass alles ganz anders war. Genau wie die Sache mit dem Mobbing in der Schule ganz anders war. Der Twist ist am Ende dann wieder naheliegend und erklärt letztlich auch das Verbrechen – aber zum Glück lebt Big Little Lies eben nicht von überraschenden Twists und der nervenzehrenden Spannung, wer denn nun der Mörder war, sondern von der schonungslosen Aufdeckung der ganzen Lebenslügen, an denen alle, die noch immer glauben wollen, dass ein wohl geordnetes Familienleben der Schlüssel zum Lebensglück wäre, scheitern müssen. Und genau das gefällt mir daran.

Generation Kill: Der Irak ist kein cooles Land

„Können wir nicht einmal in ein cooles Land einmarschieren – eins mit schönen Frauen in Bikinis?“ fragt Corporal Josh Person während einer Erkundungsfahrt durch eine weitgehend menschenleere Landschaft, in der ab und zu ein paar Ziegen und staubige Palmen am Wegesrand zu sehen sind. Josh ist einer der Befehlsempfänger im First Recon Battalion, die an der Spitze der US-Truppen im März 2003 in den Irak einmarschieren. Damit ist im Grunde schon alles gesagt: Der Irak ist alles andere als cool – und Krieg ist zwar ein tödliches, aber vor allem todlangweiliges Geschäft.

Die US-amerikanische Mini-Serie Generation Kill zeigt vor allem eines: Der Krieg besteht hauptsächlich aus Warten. Immer wieder warten: Warten auf den Marschbefehl, warten auf die nächste Fertigration, warten auf Ersatzteile, die sowieso nicht kommen, warten, warten, warten. Und auch wenn man unterwegs ist, passiert in der Regel nicht viel – die Tage bestehen aus stundenlangen Fahrten durch öde Landschaften. Da kann man schon mal die Nerven verlieren.

Generation Kill: Sergeant Brad "Iceman" Colbert (Alexander Skåsgard)

Generation Kill: Sergeant Brad „Iceman“ Colbert (Alexander Skåsgard, Mitte)
Bild: hbo.com

Der „It’s not TV, it’s HBO“-Sender wagte sich im Jahr 2008 an die Verfilmung des gleichnamigen Sachbuchs von Evan Wrigt, der den US-Einmarsch im Irak als „Embedded Journalist“ an vorderster Front erlebte – er war als Autor für den Rolling Stone dabei. „Diese jungen Männer repräsentieren mehr oder weniger Amerikas erste Generation von Wegwerfkindern. Über die Hälfte der Jungs im Zug kommt aus zerbrochenen Elternhäusern, wurde von häufig abwesenden, allein stehenden, arbeitenden Müttern erzogen. Vielen sind Videospiele, Reality-Shows und Internetpornografie vertrauter als ihre eigenen Eltern.“ So beschrieb Wright die Soldaten des Aufklärungsbataillions der Marines.

Kein Wunder, dass der eine oder andere austickt – schon um die Zeit zu überbrücken. Hier gibt es kein Internet und keine Videospiele – hier gibt es nur langweiliges echtes Leben. Und natürlich ist den Jungs klar, dass sie letztlich auf den Tod warten. Auf den Tod, den sie dem Feind bringen. Auf den Tod, der sie jederzeit selbst ereilen kann.

Sie legen sich Marotten zu – der eine pflegt akribisch sein Hitler-Bärtchen, der andere schießt bei jeder Gelegenheit mit dem vom Feind erbeuteten Maschinengewehr – und löst damit immer wieder friendly fire, den Beschuss durch die eigenen Leute aus: Denn die Jungs aus den anderen US-Einheiten wissen natürlich auch, wer mit welchen Waffen schießt. Deshalb muss einer der Vorgesetzten durchgreifen und dem Spinner sein Lieblingsspielzeug wegnehmen: Es ist eine zu große Gefahr für sie alle.

Bei den jungen Männern handelt es sich um die erste Generation junger Amerikaner seit Vietnam, die in einen Konflikt mit offenem Ende geschickt wurden – zwar ist die Besetzung des Irak durch die US-Truppen und ihre Alliierten offiziell seit einigen Jahren beendet, aber noch immer sind US-Soldaten im Irak, derzeit um Kämpfer gegen den IS auszubilden und zu unterstützen. Diese Generation macht sich in Sachen „gerechter Krieg“ nicht mehr viel vor – sie haben schon längst selbst erfahren, dass die „große Lüge“ ein zentraler Bestandteil des Regierens in Amerika ist. „Die große Lüge“ ist so selbstverständlich wie das Atmen: Sie sind alle bereits betrogen worden. Deshalb sind die meisten von Ihnen ja in der Armee – weil sie keine andere Möglichkeit sahen, ihr Leben zu organisieren. Ihrer Existenz einen Sinn zu geben. Oder noch simpler: Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Auch wenn sich einzelne von ihnen immer wieder darauf berufen, dass sie doch eigentlich die Guten sein wollen, Befreier, keine Mörder. Doch die meisten von ihnen sind einfach Söldner, denen es letztlich egal ist, wofür sie kämpfen. Solange sie ihren gelegentlichen Adrenalin-Kick kriegen und sich daran hochziehen können, dass ihr tödlicher Job etwas ganz Besonderes ist – schließlich sind sie Marines. Die hochtrainierte Elite der US-Truppen. Mit der Lizenz zum Töten.

Die deshalb aber auch keine Ersatzteile bekommen. Weil Marines schließlich improvisieren können. Theoretisch zumindest. Denn ohne Batterien für die Nachtsicht- und Funkgeräte und ohne Schmieröl für Fahrzeuge und Waffen sehen auch die gut ausgebildeten Marines in der irakischen Wüste alt aus. Da hilft auch nichts, dass der Psychologe der Truppe den Jungs versichert, dass er für sie da ist, falls sie Gefechtsstress haben sollten: „Ich bin ausgebildeter Gefechtsstress-Ausbilder. Wenn ihr also Gefechtsstress haben solltest, kommt einfach zu mir!“

„Wenn wir endlich Batterien und Schmieröl bekommen würden, wäre mein Stress schon weg!“ erklärt Sgt. „Iceman“ Colbert (Alexander Skarsgård). Die Marines improvisieren schließlich auf ihre Art: Sie schicken ihren Berichterstatter zum Army Shop einkaufen. Der ist ja quasi Zivilist und kommt deshalb an Batterien und was man sonst noch braucht – das bezahlen sie dann auch von ihrem eigenen Geld. Notfalls kauft man sich die Ausrüstung auch auf Ebay zusammen.

Es ist gut, einen Sergeant wie Sgt. „Iceman“ Colbert zu haben – wenn andere die Nerven verlieren, wird er immer ruhiger. Er hört regelmäßig BBC, um über die aktuelle Lage auf dem Laufenden zu bleiben. Er liebt sarkastische Kommentare, sinniert viel über den richtigen Zeitpunkt zu kacken – der ist extrem wichtig im Krieg – und hasst Country-Musik, Dummheit und schießwütige Vorgesetzte. Die machen nämlich richtig Stress: Sie riskieren das Leben seiner Leute, um sich selbst Orden an die Brust pinnen zu lassen.

Und er versucht, die Ideale, für die die US-Truppen angeblich kämpfen, praktisch umzusetzen: Als eine Bauernfamilie ihren schwer verletzten Sohn heranschleppt, den einer seiner Leute versehentlich getroffen hatte, als er sinnlos auf ihre Kamele schoss, setzt Colbert sich mit anderen dafür ein, dass der Junge evakuiert und in einen Stützpunkt gebracht wird, wo US-Soldaten versorgt werden: Dann hätte er eine Chance zu überleben. Sein Vorgesetzter verweigert das – mit einer durchaus plausiblen Begründung. Aber der Zweispalt wird sichtbar: Natürlich ist das kein guter Krieg. Und Sgt. Colbert weiß das auch. Aber er würde gern daran glauben, dass dieser Krieg gut sein könnte. Dass diese ganze Scheiße einen Sinn hat.

Schließlich sind auch extrem gut trainierte Marineinfanteristen keine emotionslosen Tötungsmaschinen – natürlich sind sie Profis, Handwerker des Tötens. Und es gibt natürlich auch durchgeknallte Idioten unter ihnen, denen es einfach Spaß macht, Menschen abzuknallen. Aber viele der Leute leiden unter dem, was sie tun. Als ein Dorf, das die Hitman-Truppe seit einiger Zeit observiert und von dem sie deshalb weiß, dass es dort tatsächlich nur unbeteiligte Zivilisten gibt, von einer anderen Einheit beschossen wird, versuchen sie vergeblich, das sinnlose Massaker aufzuhalten – aber letztlich reicht eine gut gezielte von einem Hubschrauber abgeschossene Rakete aus, um es auszulöschen. Iceman: „Wenn diese blöden Wichser mal was machen, sind sie beschissen effektiv!“

An anderer Stelle wird das aber gleich wieder infrage gestellt: Nachdem ein Vorgesetzter Artillerie-Unterstützung verlangt hat, obwohl er mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass es sich um „gefährlich nahen Beschuss“ handeln würde, also praktisch um die Bombardierung des eigenen Standorts – und er dann auch noch die falschen Koordinaten durchgibt, freuen sich die Jungs: „Das ist ja mal was Neues – stümperhafte Führung, die Leben rettet!“

Als sie nach dem Bombardement durch das Gebiet marschieren, um herauszufinden, was denn eigentlich beschossen wurde, stellen sie fest, dass tonnenweise Bomben feindlichen Sand vernichtet haben: Überall Trichter, einige verkohlte Palmen dazwischen: „Bitte lass wenigstens einen Panzer dabeigesessen sein!“ Aber Fehlanzeige, sie finden nur eine verbogene Fernsehantenne. „Der Krieg läuft nicht gut!“ stellt auch „Godfather“ Lt. Col. Stephen Ferrando (Chance Kelly) fest: „Wir töten zu viele Zivilisten!“

Generation Kill: "Wir haben feindlichen Sand gekillt!"

Generation Kill: „Wir haben feindlichen Sand gekillt!“
Bild via dvdbeaver.com

Iceman sieht das genauso, als sie das nächste Dorf durchkämmen, finden sie in den Häusern Drogenpakete und Waffen. Die einen wollen das Dorf zerstören oder wenigstens die vorgefundenen Beute. Iceman ist dagegen: „Wir werden doch nicht ihre Existenzgrundlage zerstören!“ Zu seinem Glück findet auch Gotfather, dass Richtlinien nur die letzte Zuflucht für Phantasielose sind.

So schizophren und zwiespältig die ganze Idee von „Befreiungskriegen“ ist, ist auch die Serie: Letztich gibt es „die Guten“ ebensowenig wie „die Bösen“. Die Fronten und die Perspektiven wechseln: „Eigentlich sind nicht die Irakis unser Problem, sondern die Kommandeure!“ Es wird eine ganze Palette an Problemen angerissen – ob nun Gangsta-Rap und Videospiele die Gewalt verschärfen, ob Religion schwul ist, Wichsen ohne Hände möglich, die Führung korrupt, das Leben beschissen oder gar J-Lo tot ist. Es wird viel geredet in Generation Kill – das ist einerseits etwas anstrengend und ermüdend, andererseits bekommt man dadurch einen Einblick in die Gedanken der Soldaten. Das ist das Interessante an dieser Serie, die deshalb auch auf Musik verzichtet – Musik gibt es nur, wenn die Leute selbst singen, was durchaus vor kommt. Das gefällt mir gut, denn dadurch wird Generation Kill sehr intensiv und sehr ehrlich.

Gerade bei Filmen und Serien, die den Krieg angeblich kritisieren wollen, macht Musik vieles kaputt. Davon einmal abgesehen, dass in herkömmlichen „Kriegskritiken“ ja in der Regel nur darüber lamentiert wird, dass die Leute aus den falschen Gründen in den Krieg ziehen – was voraussetzt, dass es ja auch richtige Gründe geben muss. Also dass es letztlich schon irgendwie okay ist, ein Land für Demokratie und Menschenrechte in Schutt und Asche zu legen, aber eben nicht für Ausbeutung und Unterdrückung, was aber in der Realität eigentlich immer das Ziel ist – denn worum geht es bei der Ausweitung von Einflusssphären bestimmter Nationen denn sonst?!

Wie auch immer, egal ob ich mir Unsere Mütter, unsere Väter oder Der Schmale Grat ansehe – allein die Musik nervt ungemein, auch wenn sonst nicht alles schlecht ist. Die einzige Kriegs-(Satire)-Serie, wo die Musik komplett okay geht, ist und bleibt M*A*s*H.

Generation Kill ist im Detail nicht weniger absurd als die Kult-Serie aus den 70er Jahren, aber leider viel weniger lustig. Obwohl es viel (unfreiwillige?) Situationskomik und haufenweise coole Sprüche gibt – hier geht es darum, den aktuellen Kriegsalltag zu zeigen. Ich war nie im Krieg (und habe das auch nicht vor) somit kann ich nicht sagen, wie realistisch die Serie wirklich ist. Ich kann nur sagen, dass sie vergleichsweise authentisch wirkt – genauso, wie The Wire in Sachen Verbrechen authentisch wirkt. Was gewiss daran liegt, dass mit David Simon und Ed Burns hier auch wieder die Macher von The Wire am Werk sind.

Selbst wenn man sich nicht ausdrücklich für den Irak-Krieg oder Kriegsfilme überhaupt interessiert, ist Generation Kill durchaus sehenswert, weil hier sehr viel Serien- und Fernseh-Knowhow am Werk ist: Ein historisch und psychologisch interessanter Plot, tolle Schauspieler, ein innovatives Umsetzungs-Konzept und keine offensichtliche Ideologie- oder Moralkeule. Das ist schon sehr, sehr viel für eine Serie.

Exit – Wirtschaftskrimi trifft Psychopathenthriller

Es gibt immer wieder Filme, bei denen ich sehr erstaunt bin, dass sie der allgemeinen Aufmerksamkeit bisher entgangen sind – genau wie ich mich wundere, dass niemand in Deutschland I skuggan av värmen kennt, wundere ich mich, dass der schwedische Thriller Exit nicht einmal einen englischen Wikipedia-Eintrag hat – und selbst der schwedische Eintrag ist ziemlich dürftig. Dabei spielen mit Mads Mikkelsen und Alexander Skarsgård gleich zwei international bekannte Schauspieler mit, die auch in den USA mittlerweile Kultstatus erreicht haben.

Mads Mikkelsen ist spätestens seit seiner Rolle als Hannibal Lector in der Serie Hannibal einem internationalen Millionenpublikum ein Begriff und Alexander Skarsgård dürfte einer der Erfolgsfaktoren sein, denen True Blood ein vergleichsweise langes Leben über sieben Staffeln verdankt – der zum Kapitalismus konvertierte Wikingerfürst Erik Northman ist gewiss einer der populärsten Vampire derzeit. Interessant übrigens, dass im gleichen Jahr, in dem Casino Royale mit Mads Mikkelsen als Bösewicht neu verfilmt wurde, auch Exit entstand. Es handelt sich ebenfalls um einen Action-Thriller, allerdings ziemlich viele Nummern kleiner als der traditionell sehr bombastische Bond, allerdings ebenfalls sehr spannend. Exit beginnt als Wirtschaftskrimi und endet im Grunde, wie er angefangen hat – diese Art von Lakonie schätze ich sehr: Trotz der dramatischen Ereignisse in der Zwischenzeit geht alles wieder seinen gewohnten Gang.

Cover DVD Exit via http://www.cineasten.de

Cover DVD Exit
via http://www.cineasten.de

Der Geschäftsmann Thomas Skepphult (Mads Mikkelsen) hat den Höhepunkt seiner Karriere erreicht: Seine Investmentfirma Nova Investment bereitet den Verkauf ihrer Beteiligung an der Softwareschmiede Cataegis vor – denn wie Thomas weiß, soll man verkaufen, wenn alles richtig gut läuft: Dann kann man den höchsten Preis erzielen. Und scheinbar läuft alles ganz prima. Aber der weißrussische Käufer macht plötzlich Zicken: Er deutet an, dass er auf Unregelmäßigkeiten gestoßen ist, die im Zusammenhang mit dem vermeintlichen Selbstmord eines wichtigen Cataegis-Managers stehen. Das ist zwar schon eine Weile her, aber sehr ärgerlich – zumal es tatsächlich Unregelmäßigkeiten gab, von denen Thomas zumindest gewusst haben muss. Denn der Zuschauer weiß, dass Thomas dabei war, als Morgan Nordenstråle sich den Kopf weggeschossen hat. Und man kann davon ausgehen, dass Nordenstråle entsprechend unsaubere Geschäfte gemacht hat.

Zur gleichen Zeit offenbart Thomas Partner und Mentor Wilhelm Rahmberg ihm, dass er sich zur Ruhe setzen will. Für Thomas kommt das überraschend – er will die Firma nicht allein leiten. Doch bevor es zu einer geregelten Übergabe kommt, wird Wilhelm brutal ermordet. Und nach Ansicht der Polizei ist Thomas hochgradig verdächtig: Weil die beiden Partner sich ihre Anteile an der Firma gegenseitig zu sehr günstigen Konditionen überschrieben haben, falls einem von beiden etwas passiert, profitiert Thomas vom Tod seines Partners. Für die Polizei ist die Sache damit ziemlich klar – zumal die Tatwaffe eine Brechstange aus Thomas Garage ist, auf der sich natürlich auch seine Fingerabdrücke befinden. Andererseits finde ich aber schon, dass die Polizei schon darauf kommen könnte, dass wenn einer wie Thomas seinen Partner loswerden wollte, bestimmt nicht so blöd sein würde, ein solches Werkzeug mit Fingerabdrücken darauf zu benutzen und dann auch noch am Tatort zurückzulassen.

Aber geschenkt – der Film entwickelt einen großen Teil seiner Dynamik gerade daraus, dass sich die Ermittler relativ schnell auf Thomas als Täter einschießen, und weil sie ihn für den Mörder halten und genervt sind, dass er nicht wie gewünscht kooperiert, sondern auf seine Unschuld beharrt und seinen Anwalt anrufen will, sind sie auch nicht besonders kooperativ. Als Thomas endlich telefonieren darf, wird der Anruf zu einem Unbekannten umgeleitet, der Thomas droht, seiner Frau Anna und seiner Tochter Ebba etwas anzutun, wenn er ihm nicht die Zugangsdaten zu seinem eigentlich geheimen Bankkonto gibt, auf dem er Geld für schlechte Zeiten zurückgelegt hat.

Blöd nur, dass ihm auch das niemand glaubt – Thomas hat seinen Anwalt nicht erreicht, aber jede Mengen Stress, weil er seine Frau warnen will, aber nicht mehr telefonieren darf. Für ihn ist klar, er muss sofort hier raus! Kurze Zeit später gelingt Thomas die Flucht aus dem Polizeigewahrsam. Nun beginnt ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit – Thomas will seine Familie und sein Geld schützen, hat aber nicht nur einen durchgeknallten Psychopathen am Hals, der sich offenbar sehr gut in Thomas Privatleben auskennt, sondern wird auch im ganzen Land als flüchtiger Verbrecher gesucht. Er muss untertauchen und hat letztlich nur noch seinen dänischen Cousin Preben Smed, der für seine Hilfe ein gepfeffertes Honorar verlangt und seinen jungen Mitarbeiter Fabian von Klerking, der ganz offensichtlich viel von Thomas hält.

Als Thomas heraus bekommt, dass Morgan Nordenstråle offenbar noch lebt, versucht er, ihn zu finden – was einerseits keine schlechte Idee ist, denn Nordenstråle steckt tatsächlich sowohl hinter dem Mord an Wilhelm Rahmberg als auch der Erpressung. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass Thomas seinen Gegner ein wenig unterschätzt hat und gerät in immer haarsträubendere Situationen, aus denen er sich nun mit viel Glück und Geschick herauswinden kann – und so schleppt er sich zunehmend ramponiert immer weiter, einem mir dann doch wieder zu quälend ausgewalztem Finale entgegen, bei dem der altehrwürdige Landsitz der Familie seiner Frau in Flammen aufgeht, die Thomas natürlich in aller-allerletzter Sekunden retten kann, während der fiese Nordenstråle dann doch endlich mal sein verdammtes Leben aushaucht.

Mads Mikkelsen als Thomas Skepphult in Exit, Schweden 2006

Mads Mikkelsen als Thomas Skepphult in Exit, Schweden 2006 via cinema.de

Fabian unterdessen musste auch einiges riskieren, um an die gesuchte Videokassette zu kommen, auf der zu sehen ist, wie Nordenstråle den Manager ermordet, der sich angeblich umgebracht hat. Fabian ist nämlich kein Verbrecher und völlig damit überfordert, dass der schon ziemlich mitgenommene Thomas ihm eine Waffe in die Hand drückt, und ihm aufträgt, unbedingt diese Aufnahme aufzutreiben. Aber Fabian kriegt das dann doch irgendwie hin und entdeckt anhand einer Spiegelung gegen Ende der Aufnahme, dass Thomas ebenfalls anwesend gewesen sein muss, als die Aufnahme entstand…

Alles in allem also solide schwedische Thrillerkost, bei der sich ein Mann den Schatten seiner Vergangenheit stellen muss und dabei fast alles verliert – sich aber am Ende dann doch behaupten kann. Aber etwas anderes hätte man von einem Mads Mikkelsen auch nicht erwartet. Besonders wenn er einen Freund wie Alexander Skarsgård hat. Ja, besonderen Spaß macht natürlich, den tollen Hauptdarstellern bei ihrer Arbeit zuzusehen. Ansonsten auch hier wieder wunderbar durchexerziert, dass die Handlung meistens die denkbar schlechteste Wendung nimmt, und Thomas Skepphult seine Lage über weite Strecken des Films konsequent verschlechtert – aber am Ende darf er sein neues altes Leben zurück. Das geht okay.

Weitere Eindrücke gibt es hier: mariberlyn.tumblr.com

Serien-Finale: True Blood trifft den wahren Tod

Mit der letzten Folge von True Blood ist diese Serie nun den wahren Tod gestorben. Und ich muss sagen, auch wenn es nicht so schlimm war wie mit der letzten Dexter-Staffel, so ist es nun auch wirklich gut, dass es jetzt vorbei ist und die Serie nicht ins Zombie-Reich übergeht, wo die eigentlich längst Toten den Lebenden auf die Nerven gehen.

Was nicht heißt, dass man keinen Spaß mehr gehabt hätte, nach dem doch ziemlich mühsamen Anfang gab es zwischen drin durchaus paar gelungene Folgen, bei denen wieder richtig Freude aufkam. Leider konnte der Rest der Staffel das Niveau der vierten Folge (Death is Not the End) nicht halten und die letzten beiden Folgen waren im Grunde das Erledigen von Dingen, die getan werden müssen, wenn man weiß, dass das Ende bevor steht.

Screenshot True Blood 7 - Thank You. Jason, Sookie und Bill.

Screenshot True Blood 7 – Thank You. Jason, Sookie und Bill.

Besonders ärgerlich finde ich allerdings, dass eben nicht alles erledigt wurde, wo man doch eigentlich gerade dabei war: Es gibt beispielsweise keine Erklärung (nicht einmal eine schlechte!) dafür, warum die Zuschauer am Ende der sechsten Staffel dabei zustehen mussten, wie Eric auf einem Schneefeld seiner schwedischen Heimat verbrannt ist, um ab Ende des zweiten Teils der siebten Staffel zwar als schwerkranker, aber wie sich herausstellen sollte, eigentlich noch quicklebendiger Vampir die Handlung der weiteren Staffel zu weiten Teilen an sich zu reißen.

Nicht, dass ich als Eric-Northman-/Alexander-Skarsgård-Fan etwas dagegen gehabt hätte, dass Eric nicht nur weiterhin an Bord ist sondern gemeinsam mit seinem brillanten Geschöpf Pamela Swynford De Beaufort auch noch zu neuer Hochform aufläuft. Die beiden sind an abgefeimter Coolness nicht zu überbieten – aber trotzdem wünsche ich mir schon etwas mehr Plausibilität, Logik oder schlicht: Ernsthaftigkeit von den Serienschreibern. Ja, okay, True Blood ist Satire, lustig und sowieso nicht ganz ernst gemeint. Aber das heißt nicht, dass ich einfach nur einen Gag nach dem anderen sehen will, True Blood meint es an anderen Stellen ja durchaus ernst und will damit auch ernst genommen werden. Aber dann erwarte ich eben auch als Zuschauer ernst genommen zu werden. Verarschen lassen will ich mich nicht – genau das machen die Serienmacher aber, weshalb die ernst gemeinten Szenen wo es um die großen Fragen von Leben und Tod geht, dann eben auch eher lächerlich rüberkommen, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass das nicht so gemeint war – schließlich habe ich auch Six Feet Under gesehen, Alan Balls bisheriges Hauptwerk über Leben und Tod, wenn man so will. Und das hatte einfach eine bessere Balance zwischen Satire, Spaß und Ernst. Da hat True Blood nicht immer die Kurve gekriegt, obwohl ich ja viele abgedrehte Gagasequenzen letztlich auch wieder cool fand.

Screenshot True Blood 7 - Thank You. Andy traut Jessicsa und Hoyt.

Screenshot True Blood 7 – Thank You. Andy traut Jessica und Hoyt.

Auch sonst ging vieles okay, wir erleben vor allem eine ganz neue Kill-Bill-Variante. Dieser Bill Compton ist gerade als Vampir ein dermaßen integrer Bursche, dass Sookie am Ende gar nicht anders kann, als seinen letzten Willen zu vollstrecken. Jedenfalls fast, denn auf ihre Feen-Qualitäten will sie am Ende doch nicht verzichten. Deshalb variiert sie Bills letzten Wunsch, von ihr mit ihrem Lichtball getötet zu werden (was sie ihrer Feenhaftigkeit beraubt hätte) in Bill mit einem abgebrochenen Schaufel-Stiel zu töten – weil er sich durch seine Sterblichkeit wieder menschlich fühlt. Und endlich wieder menschlich zu sein war das, was er sich immer gewünscht hat. Also tut Sookie ein mal mehr, was getan werden muss – darin ist sie inzwischen ohnehin unschlagbar. Bills Tod ist dann auch das letzte Blutbad dieser Serie. Zuvor hat Bill Sookie wissen lassen, wie sehr er sie liebt und dass er ihr deshalb ein normales Menschenleben wünscht – kraft seiner Gedanken während der Trauung von Jessica und Hoyt, die nach Hoyts Flucht nach Alaska dann doch wieder zueinander gefunden haben.

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Hier haben wir den romantischen Höhepunkt der letzten Folge, der gewissermaßen ganz zum Anfang der Serie zurück geht, denn dort hatten wir die Geschichte mit der blutjungen Vampirin Jessica, die Bill als Strafe dafür, dass er zugunsten eines Menschen (Sookie) einen Vampir getötet hatte, als junges, unschuldiges Mädchen in einen Vampir verwandeln musste, und dem nicht ganz so jungen, aber total unschuldigen Hoyt, der ausgerechnet mit der frisch verwandelten Jessica seiner ersten Liebe begegnet.

Screenshot True Blood 7 - Thank You.

Screenshot True Blood 7 – Thank You.

Gegen derartige Arabesken habe ich überhaupt nichts, im Gegenteil, solche Rückgriffe gefallen mir, auch wenn die Hochzeitsgeschichte dann doch etwas breit ausgewalzt wurde. Für meine Geschmack gab es insgesamt aber zu wenige davon. Das ist offenbar auch etwas, was wirklich herausragende Serien wie Breaking Bad von den eben auch ganz guten Serien wie True Blood unterscheidet: Während in Breaking Bad sehr viele merkwürdige Details im Verlauf der weiteren Handlung erklärt werden (auch wenn diese Erklärungen nicht unbedingt naheliegend sind, aber sonst müsste man ja auch nichts erklären) wird in True Blood nicht alles erklärt, leider auch das nicht, was dringend einer Erklärung bedürfte.

Screenshot True Blood 7 - Thank You. Pam und Eric

Screenshot True Blood 7 – Thank You. Pam und Eric

Okay, Breaking Bad ist zwar keine Krimi-Serie im klassischen Sinne, aber handelt von Verbrechen und vor allem von Wissenschaft und zwar durchaus im forensischen Sinne, da würde Walter White sicherlich drauf bestehen. Insofern muss alles logisch zu erklären sein. Im Gegensatz dazu ist True Blood eine Serie mit Fantasy-Elementen, was ja quasi als Freibrief für unlogische Handlungssprünge genommen wird – aber wie gesagt: Eigentlich will die Serie ja ernst genommen werden. Und deshalb will ich schon wissen, warum Eric nicht gestorben ist, sondern sich nur mit Hep-V infiziert hat, was ja schlimm genug, aber eben keine Erklärung ist. Schade finde ich auch, dass etwa Lafayette gegen Ende praktisch nicht mehr vorkam, oder Andys Feen-Tochter Adilyn – was ist eigentlich aus ihr geworden? Und wie kommt Sam Merlotte jetzt klar, nachdem er Bon Temps für seine neue Familie verlassen hat? Fragen über Fragen. Andererseits muss man nicht alles wissen, und ich rechne es den Autoren an, dass es für Sookie und Bill kein Happyend gegeben hat – nach all dem, was die beiden durchgemacht haben, war ja völlig ausgeschlossen, dass sie noch miteinander glücklich werden können. Das übernehmen dafür so ziemlich alle anderen, sofern sie überlebt haben. Wobei: Heirat ist der Hauptgrund für spätere Scheidungen.

Bill hat Sookie ein normales Leben gewünscht und jedem bleibt selbst überlassen, was er oder sie sich darunter vorstellt. Das Leben in Bon Temps geht weiter. Und Eric und Pam machen mit New Blood das Geschäft ihres langen Vampirlebens – zumal sie ja mit Sarah Newlin noch ein As im Ärmel bzw. im Keller haben: Ein Schluck Blut direkt von der Quelle bringt gigantische Summen ein – so hat sich die gute Sarah ihr neues Leben als Noomi, Erlöserin aller kranken Vampire, gewiss nicht vorgestellt. Aber man legt sich halt besser nicht mit Eric und Pam an. Insofern finde ich es auch völlig okay, dass die letzte Runde an diese beiden Vampire geht – mit den anderen war ja eh nichts mehr los.

Screenshot True Blood 7 - Thank You. Eric macht Werbung für New Blood.

Screenshot True Blood 7 – Thank You. Eric macht Werbung für New Blood.

Schweden-Trip durch Kalifornien: Kill Your Darlings

Als ausgesprochene Liebhaberin skurriler Road-Movies (Wir können auch anders, U-Turn, Cold Fever), die gleichzeitig auch voll auf der Schwedenschiene (Joel Kinnaman, sämtliche Skarsgårds usw.) fährt, musste ich natürlich irgendwann auf Kill Your Darlings kommen. Dieser Film ist in Deutschland merkwürdigerweise so unbekannt, dass es nicht mal einen Wikipedia-Eintrag dazu gibt – aber das wird sich hoffentlich bald ändern.

Screenshot Kill Your Darlings - Erik (Andreas Wilson)

Screenshot Kill Your Darlings – Erik (Andreas Wilson)

Denn Kill your Darlings ist einfach fantastisch – ein totkomischer Film, der die US-Filmindustrie inklusive dieses ganzen Reality-TV-Scheiß, den US-Psycho- und Selbstoptimierungswahn, überhaupt diesen ganzen Selbstdarstellungs- und Selbstververmarktungszwang, den skandinavischen Hang zu Depression sowie noch eine ganze Menge anderer Dinge gnadenlos auf die Schippe nimmt.

Screenshot Kill Your Darlings

Screenshot Kill Your Darlings – Katherine (Julie Benz)

Auch die Besetzung ist grandios: Alexander Skarsgård als depressive Transe Geert im Verein mit Julie Benz als ebenfalls verhinderte Selbstmörderin Katherine, Fares Fares als zweifelhafter Selbstmordverhinderer Omar sowie John Larroquette als Psycho-Flüsterer Dr. Bangley, der zwar der Autor des Bestellers „Stay Alive“ ist, aber ein ernsthaftes Autoritätsproblem bei seiner vierzehnjährigen Tochter hat. Und dann natürlich die Hauptfiguren Erik und Lola, gegeben von dem Schweden Andreas Wilson und der Kanadierin Lolita Davidovich. Andreas Wilson kennt man von Real Humans – er spielt die tragische Figur des Leo Eischer, der halb Mensch und halb Androide ist. Er ist zwar ungefähr einen halben Meter kleiner als Alexander Skarsgård oder Joel Kinnaman, aber auch ein sehr hübscher Junge. Selbst in seinem schwedenfarbenen Streifenpulli. Ich muss sagen, dass ich mit der schwedischen Invasion in Hollywood außerordentlich glücklich bin.

Screenshot Kill Your Darlings

Screenshot Kill Your Darlings – Geert (Alexander Skarsgard)

Kill your Darlings bringt das Beste der US- und der schwedischen Art Filme zu machen zusammen – gut, vielleicht bin ich jetzt ein bisschen zu euphorisch, aber ich habe mir den Film gestern angesehen und ich dabei solche Lachanfälle, dass meine Kinder besorgt nach mir gesehen haben – und nein, ich hatte nichts geraucht.

Die Geschichte kurz zusammengefasst: Der junge Schwede Erik interessiert sich für Selbstmord: Was bewegt Menschen, ihr Leben zu beenden? Er ist eigentlich Fotograf und wäre gern Drehbuchautor, in Los Angeles will er sein aktuelles Skript über Selbstmord an den Mann bringen. Er bekommt sogar einen Termin bei einem der allmächtigen Filmproduzenten, ist dann aber so blöd, während dieses hochwichtigen Gesprächs mit dem Filmgott an sein Handy zu gehen, das klingelt. Das war’s dann, wobei seine seltsam nordeuropäische Story eh nicht angekommen wäre, im ach so lebensbejahenden Hollywood. Jetzt muss Erik weiterhin Burger so fotografieren, dass man sie auch noch essen will.

Screenshot Kill Your Darlings

Screenshot Kill Your Darlings – Lola (Lotita Davidovich)

Auf der anderen Seite gibt es Geehrt und Katherine, die sich gern umbringen würden, aber das nicht auf die Reihe kriegen – Omar soll sie als Beweise für den Erfolg von Dr. Bangley erstens retten und zweitens nach Las Vegas in die nächste große Live-Show bringen.

Und dann gibt es auch noch Lola, die femme fatale, die ungefähr doppelt so alt ist wie Erik, sich selbst zu Eriks Muse ernannt hat und den armen Jungen nun zu einem Trip durch die kalifornische Wüste zwingt, damit er endlich mal was erlebt, worüber er ein vernünftiges Drehbuch schreiben kann. Natürlich gibt es haufenweise skurrile Szenen und wunderbare Wüstenaufnahmen.

Screenshot Kill Your Darlings

Screenshot Kill Your Darlings – Omar (Fares Fares)

Allein der Anfang, als Katherine versucht, sich mit ihrem Fernseher (!!!) in den Swimmingpool zu stürzen! Oder Erik, der mit der Pinzette sorgfältig die Sesamkörner auf dem Cheeseburger arrangiert. Oder Dr. Bangley, der seine Teenie-Tochter anfleht, ihm für den Pressetermin doch bitte die Anzughose zurückzugeben…

Super Film, den ich hiermit ausdrücklich empfehle!

Screenshot Kill Your Darlings

Screenshot Kill Your Darlings

True Blood wie ich es liebe!

Versprochen ist versprochen, auch wenn es manchmal etwas länger dauert – aber derzeit ist es in Berlin bestimmt so tropisch wie in Bon Temps, Louisiana, deshalb hat es mit der Fortsetzung von True Blood ein bisschen länger gedauert. Dafür hab ich jetzt auch die 5. Folge gesehen, womit der Spaß schon wieder in der Halbzeit ist.

Aber inzwischen macht die 7. und letzte Staffel wirklich Vergnügen, auch wenn ich mir bis zum dritten Teil nicht sicher war, ob das noch kommt. Dafür wird ab der dritten Folge alles wieder gut, also blutig, lustig und sehr, sehr böse. Einige Bekannte sind allerdings auf der Strecke geblieben, nicht nur Tara, die gleich in der ersten Folge sterben musste, sondern auch Alcide wurde inzwischen erschossen – aber wie es sich für einen guten Werwolf gehört, in der Ausübung seiner edelsten Pflicht, nämlich Sookie zu beschützen. Die ist natürlich wieder entsprechend von der Rolle – schon wieder einer, der ihretwegen gestorben ist! Und ausgerechnet jetzt, wo sie sich entschieden hat, ihn zu lieben (und das auch Bill gesagt hat)!

Screenshot True Blood 7: Alcide als guter Werwolf

Screenshot True Blood 7: Alcide als guter Werwolf

Aber so ist das halt, im Leben und in True Blood besonders. Sookie und die anderen Übriggebliebenen haben aber keine Zeit, sich in Trauer zu ergehen, sie müssen schleunigst Arlene befreien, die noch immer in Gewalt der Hep-V-Monster-Vampire ist. Über Holly, die fliehen konnte, als sie von den Hep-V-Vampiren als Köder für die anderen Menschen benutzt wurde, findet Gedankenleserin Sookie heraus, dass die Gefangenen sich im Fangtasia befinden. Gemeinsam mit den verbündeten guten Vampiren wird die Befreiung geplant und umgesetzt – günstigerweise tauchen Pam und Eric gerade rechtzeitig wieder auf, um zu helfen.

Screenshot True Blood 7: Alcide stirbt

Screenshot True Blood 7: Alcide stirbt

Eric (wie immer grandios: Alexander Skarsgård) ist seit der zweiten Folge wieder dabei, allerdings erst im Vorspann in einer Fantasie von Sookies sexbesessenem Bruder Jason, der mit der rigorosen Monogamie seiner katholischen Vampirfreundin Violet offenbar nicht so richtig glücklich ist. Auf jeden Fall ist die Liebesszene zwischen Jason und Eric nach dem völlig Eric-losen ersten Teil eine Entschädigung und ein Versprechen, das später tatsächlich eingelöst wird – am Ende der Folge findet Pam ihren Schöpfer tatsächlich – auch wenn dieser schon schwach und von Krankheit gezeichnet ist: Eric ist zwar nicht verbrannt, aber er hat sich mit Hep V infiziert. Er wird also sterben, aber hoffentlich nicht so bald.

Screenshot True Blood 7: Sookie kriegt mal wieder alles ab.

Screenshot True Blood 7: Sookie kriegt mal wieder alles ab.

Denn die Höhepunkte der Folgen drei bis fünf sind zu weiten Teilen dem Team Pam-Eric zu verdanken – die beiden arbeiten ihre gemeinsame Vergangenheit auf. In True Blood waren Zeitsprünge auch vorher schon beliebt, jetzt wird dieses Mittel ziemlich exzessiv genutzt, damit Eric noch im Spiel bleibt, aber das verzeihen alle Eric-Fans natürlich gern. Und Kristin Bauer van Straten als Pam ist natürlich auch klasse – sie ist ihrem Macher durchaus ebenbürtig. Und gibt es herrliche Ausflüge in die 80er und 90er Jahre – der Eric der 80er Jahre lebt natürlich wie Gott in Frankreich und trotzt dort auch der Autorität, in dem er bei seiner süßen französischen Freundin bleiben will, statt in das True-Blood-Business einzusteigen. Aber auch die lesbische Pam scheint dort auf ihre Kosten zu kommen. Eric macht sich sehr gut als Alain Delon, muss aber am Ende die süße Freundin für Pam opfern.

Screenshot True Blood 7: Ginger kennt sich erstaunlich gut aus mit Vampirfilmen...

Screenshot True Blood 7: Ginger kennt sich erstaunlich gut aus mit Vampirfilmen…


In der Folge darauf erfahren wir, wie das Fangtasia entstanden ist – es war eine Videothek, die Pam und Eric übernehmen müssen. Eric wird in Shreveport zum Sheriff ernannt – die Autorität traut dem alten Schweden nicht und will ihn an der kurzen Leine halten. Eric und Pam als Videotheken-Betreiber – ebenfalls totkomisch! Die Idee fürs Fangtasia klaut Pam allerdings von ihrem Groupie Ginger, einer Auskennerin in Sachen Vampirfilm, die für die Tagesschicht angeheuert wird. Eric nimmt Pams spätes Geständnis, dass Ginger und nicht sie das Fangtasia erfunden hat, mit einem wohlwollenden Grinsen entgegen – er ist augenscheinlich stolz auf sein durchtriebenes Geschöpf.

Screenshot True Blood 7: Endlich wieder vereint - Eric, Sookie und Bill.

Screenshot True Blood 7: Endlich wieder vereint – Eric, Sookie und Bill.

Von Sookie und Bill gibt es leider nicht so viel Lustiges zu berichten, aber die beiden hatten bekanntlich schon immer eine schwierige Beziehung. Es gibt auch einige Ausflüge in Bills Vergangenheit als Südstaaten-Offizier – einer davon ist namensgebend für die 5. Folge Lost Cause – Bill galt nämlich als Verräter, weil er fand, dass seine Seite für eine verlorene Sache kämpfte. Entsprechend sehen wir auch einen Bill, der schwarzen Sklaven und ihren weißen Freunden bei der Flucht hilft. Und irgendwie ist er ja noch immer so drauf, zumindest jetzt wieder, nach seiner Exkursion in die Allmächtigkeit. Jetzt ist er wieder so normal, dass er nicht mal mehr Sookies Gedanken lesen kann – er war am Ende der 6. Staffel so leer getrunken, dass Sookies Blut nicht mehr wirkt. Das findet Sookie gut, hält sie aber nicht davon ab, sich Bill gleich wieder als Mittagessen vor der großen Schlacht anzubieten – denn er braucht ja Energie, wenn er ihr helfen soll. Und Bill ist natürlich vernünftig und beißt zu.

Screenshot True Blood 7: Bill isst vernünftig.

Screenshot True Blood 7: Bill isst vernünftig.

Ein ähnliches Dilemma durchlebt Jessica, die noch immer von Schuldgefühlen zerfressen wird, weil sie Adilyns drei Feenschwestern leergetrunken hat. Aber sowohl Sookie, als auch Lafayette – der natürlich auch wieder in Hochform ist und gleich was mit Jessicas Vampirfreud anfängt, was Jessica natürlich gar nicht lustig findet, und schließlich Andy, der gar nicht mehr idiotische Sheriff, der sich inzwischen zu zupackenden Pragmatiker gemausert hat, überreden Jessica, endlich wieder ein bisschen Blut zu trinken, damit sie einsatzfähig ist. Denn für den Kampf mit dem Bösen, da braucht es jede Kraft, und gutwillige Halbböse sind total willkommen. Am Ende geht auch der Kampf im Fangtasia gerade so gut aus – mit zahlreichen Opfern natürlich, aber hauptsächlich auf der Hep-V-Seite.

Screenshot True Blood 7: Lafayette kümmert sich um Jessicas Vampirfreund. Oder umgekehrt.

Screenshot True Blood 7: Lafayette kümmert sich um Jessicas Vampirfreund. Oder umgekehrt.

In Lost Cause wird dann eine Art Beerdigungs- und Gedenk-Party in Sookies Haus gefeiert, die einen großen Teil der Handlung einnimmt – dieses Kleine-Gemeinden-Ding mit von wegen alle müssen zusammen halten hat für mich als Stadtbewohner schon etwas Befremdliches, das mich gleichzeitig fasziniert. Es ist ein bisschen so wie in dem Dorf meiner Großeltern, die aus einem wirklich kleinen Ort kamen, wo auch jeder jeden kannte und eine Beerdigung war dann eine Feier, bei der buchstäblich das ganze Dorf zusammen kam. Und nachdem dann alle am Grab ordentlich getrauert hatten, ging es zum Leichenschmaus – und dort gab es dann natürlich keine Leichen, aber Trösterwecken, ein sehr leckeres Hefegebäck, das ich als Kind geliebt habe. Daran habe ich mich dann immer überfressen. Dazu gab es Kaffee und später Schnaps und Bier für die Erwachsenen. Und irgendwann war es gar nicht mehr traurig. Genau das ist ja auch Sinn und Zweck einer Trauerfeier – dass sich die Lebenden darauf besinnen, dass sie noch am Leben sind.

Screenshot True Blood 7: Pam und Eric besichtigen die Videothek, die sie übernehmen.

Screenshot True Blood 7: Pam und Eric besichtigen die Videothek, die sie übernehmen.

Aber das Beerdigungs-Thema ist ja ohnehin eine Spezialität von Alan Ball, der True Blood überhaupt erfunden hat. Ich muss zugeben, dass ich mich erst für True Blood zu interessieren begann, als ich las, dass die Idee dazu von Alan Ball kam. Ball ist ja auch Erfinder der genialen Serie Six Feet Under (Gestorben wird immer), die ich absolut großartig finde. Six Feet Under ist allerdings eine realistische Familienserie ohne Fantasy-Elemente, aber mit durchaus skurrilem Humor, weshalb ich neugierig war, was dabei heraus kommt, wenn es Richtung Fantasy geht. Das muss ja nicht gut sein. Ist es oft auch nicht. Aber im Falle von True Blood sind die Realitätsbezüge unübersehbar – und genau das gibt dieser Serie auch den speziellen Kick – sie ist halt Satire.

Screenshot True Blood 7: Pam und Eric auf einer Republikaner-Party in Dallas.

Screenshot True Blood 7: Pam und Eric auf einer Republikaner-Party in Dallas.

Und deshalb wirft man sich vor Lachen auch weg, wenn Pam und Eric angemessen gekleidet in Dallas auf einer Republikaner-Party erscheinen – natürlich nur, um eine längst fällige Rechnung zu begleichen. Ja, die beiden können auch Arschlöcher sein, genau wie alle anderen dort. Und natürlich kann selbst Laura Bush der verlogenen Schlampe Sarah Newlin nicht helfen – statt dessen macht Eric noch die Yakuza-Truppe platt, die ebenfalls hinter ihr her ist. Ja, das ist True Blood, wie ich es liebe. Und jetzt finde ich total schade, dass es in fünf Folgen schon wieder vorbei sein wird!

Disconnect: Die dunklen Seiten des Internet

Das Internet ist nicht nur wahnsinnig praktisch und mittlerweile allgegenwärtig, sondern auch ein sehr gefährliches Ding, dessen Tentakel weit ins reale Leben reichen – und Disconnect ist ein ziemlich guter Film darüber. In mehreren locker verwobenen Handlungssträngen erzählt der Dokumentarfilmer Henry Alex Rubin seinen ersten Spielfilm, der durch Rubins nüchterne Erzählweise beklemmend realistisch daher kommt: Es geht um Minderjährige, die Internetnutzer per Webcam zum Sex und vor allem zum Geldausgeben verführen, um Cybermobbing, Identitätsdiebstahl und nicht zuletzt um die Schwierigkeit, die virtuelle und die echte Welt da draußen auseinander zu halten.

Die Fernsehjournalistin Nina Dunham (Andrea Riseborough) recherchiert im dunkelgrauen Bereich zwischen Cyberporno, Bezahlsex und Kindesmissbrauch – sie nimmt Kontakt mit dem noch minderjährigen Callboy Kyle (Max Thieriot) auf – sie wird daraus eine brisante Geschichte über Porno-Chatrooms stricken, mit der sie groß rauskommt. Aber als sie Kyle wie versprochen aus dieser Szene heraus holen will, wirft der Junge ihr nicht zu unrecht vor, dass sie diejenige sei, die ihn missbrauchen würde, und nicht der windige Chef des Pornohauses, in dem Kyle mit anderen Jugendlichen lebt, die sein Boss von der Straße geholt hat.

Screenshot Disconnect, USA 2013

Screenshot Disconnect, USA 2013 – Kyle (Max Thieriot)

Gleichzeitig wird der 15jährige Ben (Jonah Bobo) von zwei Mitschülern gemobbt – die beiden finden es witzig, dem introvertierten Musikfreak im Chat ein verliebtes Mädchen vorzugaukeln. Ben freut sich, dass es jemanden gibt, dem seine Musik gefällt, er beginnt mit „Jessica“ zu chatten und verliebt sich in seine virtuelle Chatpartnerin. Als sie Ben ein angebliches Nacktfoto von sich schickt, revanchiert er sich mit einem echten Nacktfoto von sich selbst – damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf.

Und natürlich kapiert Bens Vater – ein Anwalt (Jason Bateman), der sein Smartphone auch während der Mahlzeiten nicht aus der Hand legt, erst als es zu spät ist, dass er nichts über seinen Sohn weiß. Immerhin versucht er das nachzuholen, in dem er mit der Chatfreundin seines Sohnes Kontakt aufnimmt – und bekommt nach und nach heraus, was es mit dieser Freundin auf sich hat. Denn einer der Jungs hat ein schlechtes Gewissen und verrät sich – der Chat zwischen dem Vater und einem der Täter, der seinen Sohn in den Selbstmord getrieben hat, gehört für mich zu den stärksten Szenen im Film.

Screenshot Disconnect, USA 2013

Screenshot Disconnect, USA 2013 – Nina Dunham (Andrea Riseborough)

Im Chatroom beginnt auch der Alptraum der Hulls – Cindy (Paula Patton) und Derek (Alexander Skarsgård) haben ein Kind verloren. Während der Ex-Marine Derek sich in seine Arbeit vergräbt und im virtuellen Pokersalon das eine oder andere Spiel verliert, sucht und findet Cindy Trost in einem Selbsthilfeforum. Erst als die Konten leer sind und die Kreditkarten nicht mehr funktionieren, reden die beiden wieder miteinander und engagieren den Privatdetektiv Mike Dixon (Frank Grillo), der auf Computerkriminalität spezialisiert ist. Der wiederum ist alleinerziehender Vater von Jason, einem der beiden Cybermobber, die Ben auf dem Gewissen haben – auch Mike wird also noch Dinge heraus finden müssen, von denen er lieber nichts gewusst hätte.

Screenhot Disconnect, USA 2013 Nina Dunham (Andrea Riseborough)

Screenhot Disconnect, USA 2013 – Nina Dunham (Andrea Riseborough)

Erst ermittelt er allerdings, das der mitfühlende Chatter, dem sich Cindy im Onlineforum anvertraut hat, vermutlich der Datendieb ist. Derek beschließt, sich selbst um diesen Stephen Schumacher (Michael Nyqvist) zu kümmern, weil die Polizei ja eh nichts tut. Gemeinsam mit Cindy späht er Schumacher aus, um Rache zu nehmen – ganz nach alter Schule, in dem er ihm an den Arbeitsplatz folgt und in sein Haus einbricht. Aber am Ende entpuppt sich auch Schumacher als Opfer von Cyberkriminellen.

Man kann dem Film durchaus mangelnde Raffinesse des Plots und Vorhersehbarkeit der Handlung vorwerfen, denn es ist im Grunde bei allen Geschichten klar, worauf sie hinauslaufen – wobei ich das gerade gut finde. Denn es handelt sich nicht um einen klassischen Thriller, sondern um ein nachvollziehbar konstruiertes Psychodrama, das seine Spannung eher aus dem Offensichtlichen bezieht: Dass den meisten Menschen einfach nicht klar ist, dass man es im Internet eben nicht mit dem wahren Leben und realen Menschen, sondern mit virtuellen Identitäten zu tun hat, die vor allem die eigenen Erwartungen spiegeln – man weiß aber nie, wer oder was wirklich dahinter steckt. Und genau wegen dieser Erwartungen und der mangelnden Übereinstimmung mit der Realität schlägt man dann im wahren Leben so hart auf dem Boden der Tatsachen auf.

Screenhot Disconnect, USA 2013  Kyle (Max Thieriot)

Screenhot Disconnect, USA 2013 – Kyle (Max Thieriot)

Natürlich kann man auch im wahren Leben auf Trickbetrüger und Hochstapler hereinfallen – aber im Internet haben diese es sehr viel leichter, schon weil viele Menschen ja ganz wild darauf sind, die ganze Onlinewelt mit jeder Menge Information über sich selbst zu fluten. Insofern ist Disconnect durchaus die Aufforderung, sich mehr um die Kommunikation mit seinen realen Mitmenschen zu kümmern, als sich in virtuellen Welten herumzutreiben, in deren dunklen Ecken allerlei Gefahren lauern – allerdings bleibt die Moralkeule in der Schublade, was ich auch gut finde. Die Schuldfrage wird weder gestellt, noch beantwortet – es werden einfach Geschichten erzählt, die aus dem Leben bzw. aus dem Internet gegriffen sind.

Screenhot Disconnect, USA 2013 Nina Dunham (Andrea Riseborough)

Screenhot Disconnect, USA 2013 – Nina Dunham (Andrea Riseborough)

Es lohnt sich auf jeden Fall, sich diesen Film anzusehen, denn auch wenn man durch den NSA-Skandal und allerlei Datenschutzpannen bei sozialen Netzwerken und Online-Händlern theoretisch weiß, dass es im Internet keine Privatsphäre gibt, wird einem erst beim Ansehen solcher Geschichten wirklich klar, dass es wirklich jeden treffen kann. Dazu kommt, dass hier eine ganze Reihe wirklich guter Schauspieler aufgeboten werden, die ihre Rollen sehr glaubwürdig ausfüllen – mich als Skandinavien-Fan hat natürlich gefreut, dass auch in dieser US-Produktion mit Alexander Skarsgård und Michael Nyqvist eine ordentliche Schwedenquote erreicht wird.

Battleship: In God We Trust, All Others We Track

Verfilmungen von Spielen haben mich noch nie interessiert, schon weil ich die gängigen Computerspiele nicht spiele – für mich ist der Computer in erster Linie ein Recherche-Instrument, eine Schreibmaschine und ja, auch Fernseher-Ersatz. Aber kein Spielzeug. Ich spiele höchsten mal Brettspiele, dann aber auch weniger um des Spielens willen als vielmehr wegen der sozialen Interaktion. Aber als ich hörte, dass der US-Spiele-Hersteller Hasbro 200 Millionen Dollar in die Hand genommen hat, um das altbekannte Spiel „Schiffe versenken“ zu verfilmen, wurde ich doch neugierig. Schiffe versenken kenne ich noch gut aus langweiligen Schulstunden. Und ja, die Besetzungsliste gab auch einen Ausschlag.

Battleship gehört jedenfalls nicht zu den ganz schlechten Alien-Filmen, von denen ich bereits einige nicht bis zu Ende ansehen konnte. Aber auch nicht zu den guten – alles in allem ist der Streifen ungefähr so gaga wie sich bei den bereits erwähnten Eckdaten erwarten lässt. Immerhin ist der Film wenigstens witzig, so ist auf den Terminals zur Navigation und Zielerfassung der Slogan „In God Ie Trust All Others We Track“ zu lesen – und der Film kam noch vor den Snowden-Enthüllungen in die Kinos. Damit hat er den ganz schlechten Alien-Filmen wie The Darkest Hour oder Independance Daysaster schon einiges voraus. Allein der Anfang, wie der nutzlose kleine Bruder (Taylor Kitsch) des wackeren Marine-Offiziers Stone Hopper (Alexander Skarsgård) beim Versuch, eine Frau zu beeindrucken, maximalen Sachschaden verursacht, weil er ihr einen Chicken-Burrito besorgen will und der Imbiss schon geschlossen hat – köstlich. Dass die umworbene Blondine (Brooklyn Decker) auch noch die Tochter von Admiral Shane (Liam Neeson) und somit von Stones Vorgesetzten ist, bringt den großen Bruder so auf die Palme, dass er den kleinen quasi an den Haaren in die Marine schleift, damit er ihn künftig unter Aufsicht hat.

Battleship: In God We Trust All Others We Track

Battleship: In God We Trust All Others We Track Bild via
http://ywpop.tistory.com/

Wobei Alex sich zwar einige Zeit zusammen nimmt, aber wie zu erwarten nicht gerade durch Disziplin auffällt, weshalb er eigentlich gefeuert werden soll – wenn seine Einheit nicht gerade im Rahmen des internationalen RIMPAC-Manövers im Pazifik unterwegs wäre und die Erde nicht gerade von den ersten fünf Schiffen einer Alieninvasion erreicht würde.

Zum Glück sind die Aliens nicht so auf Zack, dass sie unbemerkt landen würden, im Gegenteil, eins ihrer Schiffe stürzt ab und die Wrackteile verursachen weltweit aufsehenserregende Schäden, so dass die Menschen gewarnt sind. Die (für meinen Geschmack viel zu menschenähnlichen, hier waren die mysteriös unsichtbaren Energiefresser in The Darkest Hour deutlich besser) Aliens wollen eine Radarstation auf Hawaii übernehmen, um mit ihren Artgenossen im All zu kommunizieren. Sie spannen einen undurchdringlichen Schutzschirm über die restlichen Schiffe – die natürlich über beeindruckende Transformerqualitäten verfügen – und sind somit mit irdischen Mitteln nicht mehr angreifbar. Abgesehen von den paar Schiffen jener Manöver-Flotte, die zufällig innerhalb des Schutzschildes gelandet sind, natürlich. Zufällig handelt es sich dabei ausgerechnet um die USS Sampson unter dem Kommando von Stone Hopper, die Myōkō unter dem Befehl des Japaners Nagata und die John Paul Jones mit Alex Hopper an Bord, der es inzwischen immerhin zum Lieutenant gebracht hat.

Die blonde Admiralstochter ist übrigens Physiotherapeutin, die sich – genau, ausgerechnet auf jener Insel mit der Radarstation – um versehrte Veteranen kümmert. Als die Aliens angreifen, macht sie grade mit einem verbitterten Kriegsversehrten einen Spaziergang, der beide Beine verloren hat und und lernen soll, mit seinen Prothesen umzugehen. Wegen seiner künstlichen Beine wird er noch für einen Cyborg gehalten. Aber er wird die ihm zufallende Aufgabe als alter Soldat natürlich vorbildlich lösen – die Aliens dürfen die Radar-Station nicht rechtzeitig in Betrieb nehmen, um ihr Signal per Satellit nach Hause senden zu können.

Auf dem Wasser nehmen die Stone-Brüder den Kampf auf – nur wird leider ausgerechnet das Schiff des erfahrenen großen Bruders recht bald versenkt, so dass der junge Heißsporn Alex Kommando übernehmen muss. Und der ist entschlossen, den Aliens so richtig einen vor den Latz zu knallen, womit er das Leben der Restmannschaft aufs Spiel setzt. Glücklicherweise ist der Japaner Nagata noch unter den Überlebenden, der Alex beibringen kann, wie man Schiffe versenken richtig spielt. Denn die ganzen raffinierten elektronischen Ortungsssysteme an Bord sind ausgefallen – aber zum Glück gibt es ja noch das Tsunami-Warnsystem NOAA, mit dem anhand der Wasserverdrängung der jeweiligen Standort der feindlichen Schiffe ermittelt werden kann – und aus diesen Bewegungsprofilen lässt sich wiederum berechnen, wo der nächste Schuss hingehen muss. Das klappt ein, zwei mal auch ganz gut, aber um den Aliens so richtig einen vor den Bug zu geben, braucht es keinen kleinen Zerstörer, sondern ein richtiges Schlachtschiff – gut, dass mit der USS Missouri ein solches als Museumsstück im nächsten Hafen liegt. Auch das ist natürlich wieder nichts als ein guter Witz, aber die Opas vom Museumsverein machen das alte Streitross in Rekordzeit gefechtsfähig – die gute alte analoge Technik funktioniert halt auch nach 70 Jahren noch. Keine Frage, es gelingt mit viel Mühe und Glück, das Alienschiff, das die Energie für den Schutzschirm liefert zu zerstören und dann kann die RIMPAC-Flotte den Rest erledigen.

Wenn man an dick aufgetragenen Geballer-Filmen Vergnügen findet, kann man in den gut zwei Stunden mit Battleship schon eine Menge davon haben – für 200 Millionen Dollar sollte man das aber auch erwarten können. Ansonsten ist der Film frei von jedem Anspruch und die Verherrlichung von Militär und Marine ist durchaus ernst gemeint, wobei man es natürlich auch totkomisch finden kann, wie Liam Neeson ohne seinem Gesicht allzu viel Regung zuzumuten, den knorrigen Supersoldaten gibt. Ach ja, Rihanna spielt auch mit, was aber nicht stört, weil sie nur schießt und nicht singt.

True Blood: Vampire und andere Blutsauger

Tatsächlich bin ich eine geprüfte Expertin für Vampirfilme. In meinem Medienstudium hatten wir so wunderbare Fächer wie Geschichte des deutschen Films, Filmanalyse, Fernsehanalyse, die Mediengeschichte von Sujets und Filmstoffen und so weiter – da konnte man sich für die Diplomprüfungen natürlich auch wunderbare Themen aussuchen. Für die Prüfung in Mediengeschichte von Sujets und Filmstoffen kam ich auf den Vampirfilm. Das war Anfang der 1990er Jahre noch ein vergleichsweise übersichtliches Genre – was einer der Gründe war, warum ich mich dafür entschied. Bram Stoker’s Dracula war damals gerade aktuell, und was es vorher gab konnte man mit übersichtlichem Aufwand sichten und noch mal ansehen – das war ja das Beste daran: Das man sich beim Fernsehen, Videogucken oder ins Kino gehen immer sagen konnte „ist relevant für die Uni“. Das ist es jetzt zwar nicht mehr, aber noch immer sehe ich aus wissenschaftlichem Interesse Vampirfilme an.

Es gab durchaus noch einige durchaus interessante Filme in diesem Bereich, etwa Interview mit einem Vampir oder From Dusk Till Dawn. Und ich muss zugeben, dass ich mir sogar Wir sind die Nacht angesehen habe, den ich gar nicht so schlimm fand wie befürchtet – obwohl das ja ein deutscher Film ist und es mit dem deutschen Film ja leider ist wie mit dem deutschen Fernsehen – das war früher echt mal besser. Inzwischen gibt da nicht mehr viel Gutes – da muss man sich ja nur mal die aktuellen Tatorte ansehen, selbst die, die im Vorfeld hochgelobt werden, wie der Bremer Tatort vom vorletzten Sonntag, sind nicht wirklich gut. Es werden keine originellen Ideen mehr entwickelt und erst recht keine innovativen Inszenierungen. Es gibt nur noch Massenware von der Stange – und selbst die könnte besser gemacht werden.

Es reicht halt nicht, mal „mutig“ zu sein, und ein Thema aufzugreifen, das unangenehm ist, wie die Tatsache, dass es tatsächlich kriminelle Ausländer gibt, die sich nicht integrieren wollen und sich über die deutschen Gesetze kaputtlachen – die sie aber sehr gut kennen und für sich nutzen können. Und dass Polizei und Justiz damit überfordert sind. Aber am Ende ist das Systemversagen wieder ein persönliches Ding und man fragt sich, warum man die letzten eineinhalb Stunden nichts Besseres zu tun bzw. zu sehen hatte. Wo sind die Filme, wie etwa Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff oder Werner Herzog sie gemacht hätten?! Es ist ja nicht so, dass es hierzulande keine großartige Filmtradition geben würde! Um so trauriger, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen, nur noch Schweiger-Schweighöfer-Schrott und Schlimmeres produziert wird.

Zurück zum Vampirfilm: Durch diese schreckliche Twilight-Serie ist das ganze Genre ja in den Bereich zweifelhafter Teenie-Bespaßung abgedriftet. Seit dem herrscht im Vampirfilm-Bereich eine galoppierende Inflation, und das meiste davon ist Mist. Deshalb ist auch die Serie True Blood bisher an mir vorbei gegangen – ich hatte sie versehentlich unter „noch so eine blöde Vampir-Serie, die ich mir nicht ansehen muss“ verbucht.

True Blood - die wichtigsten Charaktere. Screenshot von hob.com

True Blood – die wichtigsten Charaktere. Screenshot von hbo.com

Bis mir auffiel, dass True Blood ja von Alan Ball geschrieben wurde, von dem auch die großartige Serie Six Feet Under ist. Und als ich auch noch feststellte, dass mit Alexander Skarsgård ein gut aussehender Quotenschwede dabei ist, wurde ich dann doch so neugierig, dass ich mal reingesehen habe. Und ich bin gleich dabei hängen geblieben – und musste mir die erste Staffel quasi am Stück reinziehen. Vieles erinnert mich durchaus an Six Feet Under – es geht halt letztlich alles um menschliche Beziehungen verschiedenster Art, um Sex, um Tod und darum, wie Menschen damit umgehen.

Außerdem: Bei True Blood handelt es sich endlich einmal um eine Frauenserie – unter meinen Lieblingsserien gibt es nicht viele davon, woran das auch immer liegen mag. Viele Serien, die ich gut finde, sind Männerserien, True Detektive ist eine Männerserie, Breaking Bad ist eine Männerserie, Sopranos, The Wire, Boardwalk Empire, Lilyhammer und so weiter – alles Männerserien, auch wenn da natürlich schon Frauen drin vor kommen. Six Feet Under ist beides, in der Tendenz aber eher eine Frauenserie, und das gilt eben auch für True Blood: Viele interessante weibliche Charaktere und dazu viele gut aussehende Männer – Stephen Moyer, Sam Trammell, Ryan Kwanten, Nelsan Ellis, um nur einige zu nennen, und Anna Paquin hat die sexyste Zahnlücke seit Vanessa Paradis und Rutina Wesley und Deborah Ann Woll sind auch ganz toll. Wobei ich natürlich weiß, dass es jede Menge ausgewiesener Frauenserien gibt, etwa dieses ganze Sex-and-the-City-Zeug. Aber die sind mir dann doch zu – blöd. Ich habe versucht, ein paar Folgen davon zu sehen, weil diese Serie ja ohne Ende gelobt wurde. Aber ich habe nicht heraus gefunden, warum.

Also True Blood: Hauptperson ist die Kellnerin Sookie Stackhouse, die Gedanken lesen kann – was meistens ziemlich unangenehm ist,weil Menschen ihre wahren Gedanken ja lieber für sich behalten, weil sie so schlimm sind. Insofern ist Sookie mit dieser Gabe meistens nicht sehr glücklich, zumal sie vehement an das Gute in den Menschen glauben will. Durch ihr mysteriöses Einfühlungsvermögen ist sie vielen der Einwohner von Bon Temps (einem verschlafenen Provinznest in Louisiana) unheimlich, sie ist eine Außenseiterin, genau wie ihr drogen- und sexbessener Bruder Jason. Der allerdings keine Gedanken lesen kann und auch sonst ein ziemlicher Trottel ist, dafür aber gut aussieht, weshalb er immer wieder schöne Frauen abschleppen kann. Die dann irgendwann tot aufgefunden werden.

True Blood ist eine neue Erfindung, synthetisches Blut, das echtes ersetzen kann – dadurch ist es Vampiren endlich möglich, offen in der Gesellschaft aufzutreten, weil sie nicht mehr auf mehr oder weniger freiwillige menschliche Blutspender angewiesen sind. Natürlich sind nicht alle Vampire bereit, ihre Lebensgewohnheiten entsprechend umzustellen, aber in Bon Temps taucht mit Bill Compton jedenfalls der erste Vampir auf, der dank True Blood endlich ein ganz normales, bürgerliches Leben führen will. Das stellt die Toleranz der Bewohner von Bon Temps auf eine harte Probe, denn viele Menschen wollen weiterhin nichts mit den unheimlichen Blutsaugern zu tun haben. Also finden sich auch hier wieder Rassisten zusammen, die Andersartige mit allen Mitteln bekämpfen wollen – jetzt sind es halt nicht Schwarze oder Schwule, sondern Vampire. Wobei Schwarze und Schwule natürlich auch weiterhin diskriminiert werden, nur weniger offen. Mit Lafayette gibt es auch einen schwarzen schwulen Transvestiten, der nicht nur der coolste Typ in Bon Temps ist, sondern auch ein Drogenhändler, der mit V dealt – Vampirblut. Das ist die abgefahrenste Droge überhaupt. Deshalb gibt es auch Menschen, die Jagd auf Vampire machen, um ihnen Blut abzuzapfen.

Im Laufe der Serie stellt sich heraus, dass es auch unter den Vampiren knallharte Businesstypen wie Eric Northman gibt, die nicht nur schräge Nachtclubs führen, in denen Menschen sich Vampiren freiwillig als Blutspender anbieten können, sondern auch Geschäfte mit dem Blut ihrer Artgenossen machen – ein Sakrileg, das selbstverständlich hart bestraft werden muss. Überhaupt herrscht unter den Vampiren keineswegs Einigkeit, die sind zum Teil jahrtausendealte Egomanen, die auf merkwürdige Traditionen bestehen und dem modernen Leben wenig abgewinnen können, während andere den kapitalistischen Lifestyle durchaus vorteilhaft für sich anwenden können.

Auch sonst wird alles Mögliche auf die Schippe genommen, es gibt Voodoo- und Exorzismus-Rituale, fanatische Anhänger christlicher Sekten, einen schlauen Sheriff und seinen idiotischen Deputy, der in den kommenden Staffeln aber auch noch zu Hochform auflaufen darf, Gestaltwandler, Mänaden und Werwölfe – überhaupt macht die Serie immer wieder Ausflüge in andere Epochen, was ich als Liebhaberin von Ausstattungsfilmen durchaus schätze, Bill Compton macht sich auch als Schnulzensänger der 20er Jahre ganz fantastisch und dem schnittigen Eric steht die SS-Uniform nicht weniger gut als der Umhang und die lange blonde Mähne als Wikingerfürst. Dazu jede Menge Sex, Drogen und Gewalt – also alles, was Spaß macht, wie die Mänade Maryann sagen würde.

Alles in allem also eine super Serie – spannend, witzig, romantisch, unterhaltsam, alles was die typische deutsche Fernsehserie also nicht ist. Lohnt sich auf jeden Fall.