Lupin: Augenzwinkernde Neuinterpretation eines Klassikers

Mit Lupin hat Netflix einmal mehr einen echten Serienhit gelandet: Der französische Mehrteiler ist eine eigenwillige Neuinterpretation der Romanfigur Arsène Lupin, den Maurice Leblanc 1905 erdacht hat. Ich muss zugeben, dass ich den französischen Klassiker zuvor nicht kannte, der in Frankreich zumindest zeitweise wohl recht populär gewesen sein soll und angeblich in jede gut sortierte frankophile Hausbibliothek gehört. Wie auch immer, der Meisterdieb und Gentleman Arsène Lupin ist der Held des jungen Assane Diop, dessen Vater aus dem Senegal nach Frankreich eingewandert ist, um seinem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Serienposter Lupin Bild: Netflix

Babakar Diop findet Arbeit als Chauffeur bei dem ebenso reichen wie arroganten Unternehmer Hubert Pellegrini. Als ein sehr wertvolles Collier aus dem Besitz der Familie Pellegrini verschwindet, beschuldigt sein Arbeitgeber Babakar, es gestohlen zu haben. Es handelt sich um eine spektakuläre Halskette, die für die französische Königin Marie Antoinette angefertigt wurde. Babakar beteuert seine Unschuld, landet aber trotzdem im Gefängnis. Verzweifelt begeht er Selbstmord, Assane wird mit 14 Jahren zum Waisenkind.

Ein unbekannter Gönner ermöglicht Assane eine sehr gute Schulbildung (es stellt sich heraus, dass es sich um niemand anders als Pellegrinis Ehefrau Anne handelt…) Obwohl dem Jungen dadurch viele Möglichkeiten offen stehen, entscheidet er sich, seinem Vorbild Lupin nachzueifern und selbst ein Meisterdieb zu werden. Er begreift die Romane über Arsène Lupin als Vermächtnis seines Vaters und ist entschlossen, ihn zu rächen. Als 25 Jahre später die Halskette der Königin wieder auftaucht, sieht er seine Chance gekommen: Er plant einen Coup, um endlich die Wahrheit über das Verschwinden der Halskette herauszubekommen.

Auch wenn es durchaus die Kritik gibt, die Handlung sei zu vorhersehbar und darüber hinaus gebe es zahlreiche Logikfehler, finde ich die Serie überaus charmant und kurzweilig. Dafür sorgt vor allem der sympathische Hauptdarsteller Omar Sy, genau, der aus Ziemlich beste Freunde. Er hat offensichtlich großen Spaß an der Sache, und bei aller Genialität ist seine Figur kein abgehobener Nerd, sondern ein freundlicher Chaot, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Es fällt ihm schwer, Verabredungen und Termine einzuhalten, was besonders seinen Sohn Raoul und seine Exfrau Claire nervt. Andererseits sorgt er mit seinen Fähigkeiten dafür, dass Claire die Alimente für Raoul bekommt, auch wenn sie das Geld erstmal ablehnt, zumal sie weiß, auf welche Art und Weise ihr Ex seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Mir gefällt an der Serie, dass das Leben und die Herkunft von Assane eine große Rolle spielt. Es geht weniger um den genialen Coup, um den sich beispielsweise in Haus des Geldes alles dreht. Vielmehr steht die Lösung eines lang zurückliegenden Verbrechens im Mittelpunkt, dem Assanes Vater zum Opfer gefallen ist. Die Geschichte springt also immer wieder in die Vergangenheit und zeigt, wie und warum Assane zu dem geworden ist, der er nun sein will. Und dann gibt es eine ganze Reihe weiterer liebenswert schräger Figuren, etwa der Polizist, der ebenfalls ein Arsène-Lupin-Fan ist, aber von seinen Kollegen nicht für voll genommen wird, oder eine kalt gestellte Investigativjournalistin, die früher über dunkle Geschäfte von Pellegrini recherchiert hat.

Deshalb (und weil die Serie in Paris spielt) kann ich den Serienmachern einige doch recht brachiale Aktionen und übertriebene Wendungen nachsehen. Der Alltagsrassismus, den die Serie ebenfalls thematisiert, existiert nun leider tatsächlich. Natürlich interessiert sich kein Mensch für die Putzkolonne im Museum und für viele weiße Funktionsträger sehen alle Schwarzen irgendwie gleich aus. Das Chamäleon Assane nutzt diesen Umstand für sich, deshalb kann er sowohl als weltgewandter Geschäftsmann, Gebäudereiniger, IT-Spezialist, Hiwi oder eben als irgendein Mensch dunkler Hautfarbe, der einen anderen Menschen dunkler Hautfarbe im Knast besucht, überzeugen. Mich hat Lupin jedenfalls überzeugt und ich freue mich sehr auf die Fortsetzung.

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