Cobra Kai: Karate altert gut

Vielleicht war ich in den 80er Jahren einfach schon zu alt für die Karate-Kid-Filme. Jedenfalls habe ich damals nichts von dem Hype darum mitbekommen, obwohl ich damals durchaus ins Kino gegangen bin. Deshalb konnte ich mit dem Serientitel Cobra Kai erstmal gar nichts anfangen. Aber wie das so ist, wenn man auf Netflix alles andere schon zu gesehen haben glaubt, schaut man auch mal in etwas rein, was einem der Algorithmus mehr oder weniger zufällig vorsetzt. Und siehe da, die ersten paar Minuten waren interessant genug, die Sache weiter zu verfolgen. Offenbar bin ich jetzt im richtigen Alter für die Fortsetzung, schließlich bin ich ungefähr in dem Alter der beiden Hauptdarsteller William Zabka und Ralph Macchio, die schon damals in den Karate-Kid-Filmen die Hauptrollen spielten. Und noch immer beneidenswert fit zu sein scheinen.

Serienposter Cobra Kai
Bild: Netflix
via fernsehserien.de
Serienposter Cobra Kai. Bild: Netflix via fernsehserien.de

Die Handlung setzt 34 Jahre nach dem Finale des All-Valley-Karate-Tourniers ein, in dem der verletzte Daniel LaRusso (Ralph Macchio) seinen Kontrahenten Johnny Lawrence (William Zabka) mit einem illegalen Tritt besiegte. Johnny liegt wieder einmal am Boden. Er schlägt sich mit unbefriedigenden Gelegenheitsjobs durch und ernährt sich hauptsächlich von Bier und ziemlich ekligem Zeug, was vermutlich nicht mal in den USA als reguläre Ernährung durchgeht. Johnny fährt einen vor der Jahrtausendwende einmal cool gewesenen roten Pontiac Firebird und hört die dazu passend Musik. Seine Umwelt behandelt er so schlecht wie sich selbst. Als in seinem heruntergekommenem Block die Familie von Miguel einzieht, lässt er schon bei der ersten Begegnung mit dem Nachbarjungen keinen Zweifel daran, dass er einer dieser alternden weißen Kerle ist, die mit dem Kopf in den 80ern (möglicherweise noch des 19. Jahrhunderts) stecken geblieben sind: Er mag keine Einwanderer, er scheißt auf höfliche Umgangsformen und er will seine Ruhe.

Im Gegensatz dazu ist sein alter Rivale LaRusso ein Vorzeigeunternehmer geworden, der auf seinem Image als Karatekämpfer erfolgreich eine Autohauskette aufgebaut hat, in der er luxuriöse Karossen vertreibt. Zu jedem Auto gibt es kostenlos einen Bonsai. Doch es kommt, wie es kommen muss: Als Johnny beim Biereinkauf mitbekommt, wie Miguel von einer Gang angegriffen und schikaniert wird, eilt er ihm zu Hilfe. Auch wenn er nicht gerade in Hochform ist, kann er die Angreifer dank seinem langjährigen Cobra-Kai-Training in die Flucht schlagen. Miguel ist überaus dankbar und hat nun ein neues Ziel: Das will er auch lernen!

Damit hat sich auch der Name erklärt: Es handelt sich um einen effektiven und brutalen Karate-Kampfstil. Aber noch ziert sich Johnny, an alte Zeiten anzuknüpfen. Erst als eine Gruppe High-School-Girls seinen Pontiac schrottet und der Abschleppdienst sein Auto ausgerechnet zu LaRusso bringt, beginnt eine Wende. Daniel erkennt Johnny wieder und ist ebenso freundlich wie herablassend. Obwohl Daniel nicht weiß, dass ausgerechnet seine Tochter Samatha an dem Unfall beteiligt war, lässt er Johnnys Auto kostenlos reparieren.

Johnny begreift, dass es Zeit für einen Neuanfang ist. Mit dem Geld von seinem verhassten Stiefvater  mietet er Räume für einen neuen Cobra Kai Dojo an. Miguel wird sein erster Schüler. Allerdings hat Johnny den administrativen Aufwand unterschätzt: Es gibt für sein neues Business eine ganze Reihe blöder Hygiene- und Sicherheitsvorschriften, mit denen er sich schwer tut. Johnny ist ein Macher, ein Mann der geballten Faust. Theorie ist seine Sache nicht, und er hat auch sonst ein paar Jahrzehnte verpasst. Insofern ist es durchaus unterhaltsam, wie er als frischgebackener Sensei gleichzeitig auch Schüler von Miguel wird, der ihm so triviale Dinge wie das Internet und seine grundlegenden Anwendungen erklären muss.

Auch wenn es immer wieder zu kulturellen und anderen Missverständnissen kommt, entwickelt sich eine Freundschaft zwischen Johnny und Miguel. Miguel fasst zunehmend Selbstvertrauen und überzeugt einige seiner nerdigen Außenseiterfreunde, ebenfalls im Cobra Kai Dojo zu trainieren. Das Motto ist „Strike first, Strike hard, No Mercy“. Nicht alle sind damit glücklich, aber gerade die bisherigen Mobbingopfer, denen Johnny auf die Sprünge helfen will, sprechen darauf an. Endlich werden sie ernst genommen, endlich lernen sie, sich zu wehren. Im Dojo erfahren sie erstmals Zusammenhalt und Kameradschaft, auch wenn die Ansichten ihres Sensei mitunter ziemlich altmodisch sind. Aus wirtschaftlichen Gründen lässt Johnny sich jedoch schnell überzeugen, dass Mädchen trotz ihrer „hohlen Knochen“ durchaus Karatepotenzial haben. Auch sonst hat Johnny ein breites Repertoire an sexistischen, rassistischen und sonstigen Beleidigungen auf Lager, auf die seine Schüler ihn immer wieder hinweisen. Johnnys unschlagbares Gegenargument: „Es gibt nun mal Dinge, die sind, wie sie sind, und ihr müsst damit klar kommen. Das Leben ist grausam.“ Letztlich ermuntert er seine Schüler, ihre Schwächen nicht zu verstecken, sondern offensiv damit umzugehen und in Stärken zu verwandeln. Aber kann das auf Dauer gut gehen?

Daniel LaRusso jedenfalls ist entsetzt, als er erfährt, dass es tatsächlich einen neuen Cobra Kai Dojo im Valley gibt. Er fürchtet, dass Johnny nun eine neue Generation von Mobbern und Schlägern trainiert, die den anderen Kindern das Leben schwer machen. Nachdem er mit bekommt, dass es zu Zusammenstößen zwischen Cobra-Kai-Schülern und Freunden seiner Tochter gekommen ist, beschließt er, seinen Miyagi Dojo wieder zu eröffnen. Dort will er ganz im Geiste seines einstigen Sensei Kesuke Miyagi einen auf Harmonie und Selbstverteidigung angelegten Stil des Karate lehren. Ausgerechnet der Robby, der Sohn seines alten Kontrahenten Johnny, schließt sich ihm an. Robby, der von seinem unzuverlässigem Vater ohnehin nicht besonders viel hält, hat beobachtet, dass eben dieser Vater gegenüber Miguel geradezu väterliche Gefühle entwickelt hat. Insofern ist es kein Wunder, das er den freundlichen Daniel als Ersatzvater erwählt, der ihn, das Problemkind, in seinem Haus willkommen heißt.

Ja, klar, ich merke schon, wie ich bei der kurzen Zusammenfassung der Handlung ein Klischee an das andere reihe. Vielleicht ist genau das das Erfolgsrezept von Cobra Kai: Hier werden so viele Klischees miteinander verwoben, dass es schon wieder gut ist. Es ist eine Kampfsport-Serie und eine Teenager-Serie mit jeder Menge High-School-Trouble. Und dann aber auch wieder eine Erwachsenen-Serie, die die Nöte von Eltern zeigt, die ihren Kindern das Richtige vermitteln wollen, von dem sie einerseits überzeugt sind, andererseits aber erfahren müssen, dass es vielleicht noch etwas Richtigeres gibt.

Auch wenn die jeweiligen Protagonisten ihrer Weltsicht sehr sicher sind, wird sie infrage gestellt und immer wieder durchbrochen. Ausgerechnet Daniels Tochter Sam hat sich mit den Typen angefreundet, die Miguel damals so drangsaliert haben. Johnny muss sich damit abfinden, dass sein talentierter Sohn ausgerechnet seinen alten Rivalen Daniel als Sensei erkoren hat. Und in den Folgestaffeln (bisher gibt es zwei) taucht dann noch der alte Erzbösewicht Kreese auf, der Johnny einst das gnadenlose Cobra Kai gelehrt hat. So eskaliert die Handlung durchaus unterhaltsam vor sich hin, wobei es auch zu größeren Katastrophen kommt. Schließlich geht es nicht nur darum, Kämpfe zu gewinnen, sondern vor allem, Niederlagen zu verkraften.

Aus meiner anfänglichen Geringschätzung „das sehe ich mal als Zeitvertreib, solange es nichts Besseres gibt“ ist ein gewisser Respekt geworden. Keine Ahnung wie gut oder schlecht die alten Filme sind. Aber diese Serie lohnt sich.

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