Five Days: Plötzlich vom Bildschirm verschwunden

Die Briten sind die Meister der Miniserie – und auch wenn Five Days aus dem Jahr 2007 nicht zu den brandaktuellen Highlights gehört, lohnt es sich für Krimi-Freunde doch, den Fünfteiler einmal anzusehen. Die Koproduktion von HBO und BBC wurde erst im vergangenen Jahr im deutschen Fernsehen gezeigt und ist im Februar wieder auf Sky zu sehen. Es handelt sich um einen klassischen Krimistoff, universell und zeitlos – es geht in dieser Serie nicht nur um ein Verbrechen und dessen langwierige Aufklärung, sondern auch darum, was es mit den Menschen macht, über die eine solche Katastrophe plötzlich hereinbricht und wie ihr Leben dadurch völlig aus den Fugen gerät.

Five Days, Miniserie BBC/HBO

Five Days, Miniserie BBC/HBO

Tag eins scheint ein Tag wie jeder andere zu sein: Eine junge attraktive Mutter fährt mit ihren Kindern los – zumindest mit den beiden kleineren, die Teenager-Tochter will lieber zuhause bleiben und behauptet, dass sie noch Hausaufgaben machen muss. Aber eigentlich hat sie keine Lust auf den Besuch beim Urgroßvater, der im Altersheim schon sehnsüchtig wartet. Auf dem Weg halten sie noch beim Tierheim an – endlich dürfen die Kinder den Hund mitnehmen, den sie sich schon lange gewünscht haben. Und weil der Opa so gerne Blumen mag, hält Leanne (Christine Tremarco) noch einmal schnell an, um bei einem Straßenhändler einen Strauß weiße Nelken zu kaufen. Den Kindern schärft sie ein, auf jeden Fall im Auto zu bleiben, weil das Aussteigen in der Nähe der viel befahrenen Autobahn zu gefährlich ist.

Screenshot Five Days: Leanne (Christine Tremarco) kauft Blumen

Screenshot Five Days: Leanne (Christine Tremarco) kauft Blumen

Screenshot Five Days: Leanne ist verschwunden

Screenshot Five Days: Leanne ist verschwunden

Es sind nur ein paar Meter bis zum Blumenstand – wenige Augenblicke wird die Sicht von einem Lastwagen versperrt, dann sieht man den Blumenstrauß am Straßenrand liegen. Der Straßenhändler packt eilig ein und verschwindet – die Kinder bleiben ratlos zurück. Bis Ethan realisiert, dass seine Mutter verschwunden ist und nicht zurückkommen wird. Deshalb verlassen sie mit ihrem neuen Hund das Auto, um sich auf den Weg nach Hause zu machen.

Der Wagen bleibt mit offener Türe am Straßenrand stehen – die Tasche und das Handy von Leanne liegen noch auf dem Beifahrersitz. Wenig später steigen die Kinder in einen weißen Transporter, weil der Mann am Steuer behauptet, ihre Eltern zu kennen – was tatsächlich auch zutrifft, wie sich später noch herausstellen wird. Aber die Kinder kommen nicht zuhause an.

Screenshot Five Days: Leannes verlassener Wagen

Screenshot Five Days: Leannes verlassener Wagen

Der besorgte Großvater ruft die Polizei an, weil Leanne nicht wie verabredet bei ihm auftaucht. Aber als eine Streifenpolizistin, die zufällig in der Nähe ist, vorsichtshalber bei der Wohnung von Leanne und Matt Welling vorbei schaut, erklärt die Teenie-Tochter Tanya, dass der Opa schon über 80 sei und manchmal ziemlich spinne – der würde ja immer gleich die Polizei rufen. Somit scheint sich der erste Hinweis als Fehlalarm herauszustellen.

Screenshot Five Days: Tanya glaubt noch nicht, dass ihre Mutter verschwunden ist

Screenshot Five Days: Tanya glaubt noch nicht, dass ihre Mutter verschwunden ist

Doch irgendwann wird es dunkel und Tanya versucht, ihre Mutter zu erreichen. Die geht aber nicht ans Handy – das liegt ja noch in dem verlassenen Wagen. Als Leannes Ehemann Matt (David Oyelowo) später aus dem Fitness-Studio, in dem er arbeitet nach Hause kommt, macht er sich Sorgen und ruft erst im Altersheim an – um zu erfahren, dass Leanne gar nicht dort war. Jetzt ruft Matt bei der Polizei an und das Verschwinden von Leanne und ihren Kindern Ethan und Rosie wird offiziell zu einem Vermisstenfall. Die kurz vor ihrer Verabschiedung stehende Ermittlerin Amy Foster (Janet McTeer) und ihr Chef Iain Barclay (Hugh Bonneville, bekannt als Lord Grantham aus Downton Abbey) nehmen ihre Arbeit auf.

Screenshot Five Days: Ethan und Rosie

Screenshot Five Days: Ethan und Rosie

Auch Tanya wird der Ernst der Lage klar, als Polizisten mit Handschuhen zu Hause alle Sachen durchsuchen. Leannes Eltern werden angerufen – sie sollen sich um ihre inzwischen doch recht panische Enkelin kümmern. Aber noch versuchen sich alle gegenseitig zu beruhigen, dass „solche Dinge“ ja nur im Fernsehen passieren würden. Bestimmt kommt die lebenslustige und spontane Leanne gleich mit den Kindern nach Hause und es gibt für alles eine einfache Erklärung. Aber Leanne kommt nicht nach Hause. Sie bleibt verschwunden.

Screenshot Five Days: Tanya und Matt (David Oyelowo)

Screenshot Five Days: Tanya und Matt (David Oyelowo)

Das plötzliche Verschwinden einer hübschen jungen Mutter und ihrer Kinder an einem schönen Sommertag ist natürlich auch ein gefundenes Fressen für die Medien – und die Pressesprecherin der Polizei Defne Topcu findet, dass man diesen Umstand nutzen sollte. Sie will die Medien für die Suche nach Leanne und den beiden Kindern nutzen. DCI Barclay ist davon nicht begeistert – er ist überhaupt ein Ermittler der ruhigen, nachdenklichen Sorte und kämpft gegen jede Art von Voreingenommenheit, die ihm überall entgegen schlägt: In den meisten Fällen, in denen eine verheiratete Frau verschwindet, ist bekanntlich der Ehemann der Täter. Und dieser Matt ist nicht nur so ein sportlicher Schwarzer, den alle möglichen Frauen attraktiv finden, sondern auch noch ein Waisenkind – da kann man ja nie wissen.

Screenshot Five Days: DCI Barclay (Hugh Bonneville) und DS Foster (Janet McTeer)

Screenshot Five Days: DCI Barclay (Hugh Bonneville) und DS Foster (Janet McTeer)

Nach und nach zweifelt selbst Leannes Mutter Barbara (Penelope Wilton), die Matt eigentlich ganz toll findet und ihn anfangs vehement verteidigt. Auch die Beziehung zwischen Barbara und ihrem Mann John, einem pensionierten Lehrer, der seine Wochenenden damit verbringt, seine selbst gemachten Marmeladen auf Märkten zu verkaufen, gerät über das Verschwinden des einzigen Kindes in die Krise.

Die Serie spielt nicht nur mit gängigen Vorurteilen und Erwartungen, sondern zeigt auch die Grenzen der gerade in Großbritannien schon fast flächendeckend ausgebauten Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze: Genau dort, wo es interessant würde, ist ein toter Winkel. Oder zufällig ein Laster im Weg. Die Videokameras sehen viel, aber nicht alles. Und so kann zwar rekonstruiert werden, wann und wo die Mutter und wo ungefähr die Kinder verschwunden sein müssen, nicht aber, wo sie geblieben sind. Deshalb entwickelt sich der Fall zu einer langwierigen und nervenzehrenden Belastungsprobe für alle Beteiligen.

Screenshot Five Days: Das letzte Überwachungsvideo, auf dem Ethan und Rosie zu sehen sind

Screenshot Five Days: Das letzte Überwachungsvideo, auf dem Ethan und Rosie zu sehen sind

Die Serie zeigt verschiedene Stadien dieser Entwicklung anhand von fünf ausgewählten Tagen (Tag 1, Tag 3, Tag 28, Tag 33 und schließlich Tag 79). Im Laufe dieser Tage werden eine ganze Menge Beziehungen und Freundschaften auf eine harte Probe gestellt. Es gibt viele Missverständnisse und frustrierende Sackgassen und am Ende stellt sich vieles als ganz anders heraus, als anfangs gedacht. Britisches Psychodrama vom Feinsten also.

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