Babylon Berlin: Alle guten Dinge sind drei

Mit der ersten und zweiten Staffel von Babylon Berlin war ich trotz aller Opulenz der filmischen Umsetzung nicht besonders glücklich. Vor allem, weil die eigentliche Handlung des Romans mit allerlei hinzuerfunden Charakteren und Geschichten sehr in den Hinterrund rückte und die Handlung der Serie dadurch ziemlich konfus wurde. Es gab immer wieder spektakuläre Szenen und allerlei Anspielungen auf historische Ereignisse, aber mir fehlte der rote Faden einer spannenden Krimihandlung, den es im Buch von durchaus gab. Enttäuscht war ich vor allem, dass die damals in Berlin entwickelten Methoden moderner Mordermittlung, etwa eine systematische Spurensicherung und die Erfassung sämtlicher Fälle für spätere Ermittlungen in einer zentralen Kartei, im Drehbuch nur am Rande vorkamen.

Serienposter Babylon Berlin 3. Staffel: Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries)

Serienposter Babylon Berlin 3. Staffel: Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries)

Inzwischen habe ich die dritte Staffel gesehen – und es wird besser. Insgesamt bleibt das Drehbuch in den neuen Folgen etwas näher am Roman und das ist gut so. War in der ersten Sequenz Volker Kutschers Roman Der nasse Fisch kaum wieder zu erkennen, so gibt es nun immerhin gewisse Parallelen zum Folgeroman Der stumme Tod.  Hier untersuchen Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) den Tod der Schauspielerin Betty Winter, die am Set eines der  ersten Tonfilme Deutschlands von einem herabstürzenden Scheinwerfer erschlagen wird.

Natürlich wurde auch hier die Geschichte für die Serienumsetzung komplett umgestrickt; ich finde das Drehbuch aber dieses Mal gelungener, auch weil einige der losen Enden der ersten beiden Staffeln einigermaßen plausibel verknüpft werden. Dadurch werden einige Figuren aufgewertet, etwa Charlottes Freundin Greta Overbeck (Leonie Benesch) , die sich von angeblichen Kommunisten zum Attentat an Regierungsrat August Benda (Matthias Brand) hatte überreden lassen.  Nun ist sie bereit, dafür zu büßen. Oder Kriminalassistent Reinhold Gräf (Christian Friedel), der sich nun zu seiner Homosexualität bekennt. Oder die Witwe Behnke (Fritzi Haberland), die nicht nur Gefühle für ihren Mieter, den politischen Journalisten Samuel Katelbach (Karl Marcovics) entwickelt, sondern auch neue, sympathische Qualitäten bei der Unterstützung des sich nun formierenden Wiederstands gegen die Machenschaften der immer weiter nach rechts marschierenden Staatsgewalt.

Zwar fehlt nun die charismatische Swetlana Sorokina (Severija Janušauskaitė) und auch weitere zentrale Figuren haben die ersten beiden Staffeln nicht überlebt, aber dafür kommen nun neue hinzu, etwa Walter Weintraub (Ronald Zehrfeld), der kriminelle Freund und Partner des Armeniers (Misel Maticevic) und dessen Frau Esther Kasabian (Meret Becker), die nun hofft, in Betty Winters Fußstapfen zu treten und der neue Star des Films zu werden. Denn eine Filmmetropole war das Berlin der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts schließlich auch. Für musikalische Einlagen sorgen dieses Mal nicht die rauschenden Feste der Berliner Halbwelt, sondern Szenen am zeitgemäß expressionistischen Filmset und private Feiern. Überhaupt scheint die Feierwut der ersten Staffel verpufft zu sein, was verständlich ist, denn das Scheitern der Weimarer Republik und kommende Gewaltherrschaft der Nazionalsozialisten werfen bereits ihre Schatten voraus.

Die etablierten Hauptcharaktere Gereon und Charlotte haben es weiterhin nicht leicht. Achtung, ab jetzt gibt es (sanfte) Spoiler. Charlotte werden als Kriminalassistentin von ihren männlichen Vorgesetzten und Mitbewerbern immer wieder Steine in den Weg gelegt, nur weil sie eine Frau ist. Wenn auch eine durchaus für ihren Job qualifizierte, wie Charlotte immer wieder unter Beweis stellt. Nebenbei versucht sie, sich um ihre Familie zu kümmern, vor allem um ihre jüngere Schwester Toni (Irene Böhm).

Gereon hingegen leidet unter dem langen Schatten seines großen, in Krieg gefallenen (?) Bruders und seinen eigenen noch immer nicht aufbereiteten Kriegstraumata. Deshalb zerbricht auch die Beziehung zu Helga (Hanna Herzsprung), die eigentlich den Bruder geheiratet hatte, auch wenn Gereon sie von Anfang an geliebt hat. Die von Gereon vernachlässigte Helga freundet sich mit Alfred Nyssen (Lars Eidinger) an, der in ihr eine verwandte Seele entdeckt. Nebenei tüftelt der manisch-depressive Industriellenerbe Nyssen einen gewaltigen Börsencoup aus, mit dem er sich mit den Methoden der amerikanischen Kapitalisten „sein“ gutes deutsches Geld wieder holen will, das durch die Niederlage im ersten Weltkrieg verloren ging. Die Naivität der deutschen Kleinanleger, die mit geliehenem Geld an der Börse Gewinn machen wollen, wird dabei ganz gut auf den Punkt gebracht.

Auch holen die Serienmacher die Würdigung der Verdienste des Ernst Gennat (Udo Samel) nach. Die innovativen Methoden, die der langjährige Leiter der Berliner Kriminalpolizei bei der Untersuchung von Kapitalverbrechen eingeführt hat, werden dieses Mal sehr ausführlich, ja geradezu mit der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit, behandelt.

Am Ende spielt die systematische Fälschung von Beweisen ausgerechnet durch den mit der Aufklärung des Verbrechens befassten Forensiker eine entscheidende Rolle – wobei mir genau der Part dann zu dick aufgetragen war. Etwas genervt hat mich auch Esther, also die immer ein bisschen zu penetrant überspielende Meret Becker, aber okay, vielleicht ist es auch genau das, was ihren Seriencharakter am zutreffensten beschreibt: Dieses Changieren zwischen gnadenloser Selbstüberschätzung, was ihre Fähigkeiten aus Sängerin und Schaupielerin angeht, und Esthers offensichtlich doch vorhandenen Talent, aus einer scheinbar ausweglosen Situation das Beste herauszuholen. Das gelingt in dieser Staffel beileibe nicht allen, denen man es gewünscht hätte. Aber genau das macht diese Staffel sehenswert. Hoffentlich gibt es noch weitere Fortsetzungen, denn diese Serie schlägt sich im Vergleich zu anderen historischen Formaten, die es im deutschen Fernsehen so zu sehen gibt, dann doch überdurchschnittlich gut.

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